Auf einen Blick:
- Weil Grundstoffe von PU-Produkten Atemwegserkrankungen auslösen können, gilt für die gewerbliche Nutzung eine Schulungspflicht. Frist zur Einhaltung ist der 24.8.23.
- Handwerksunternehmer Michael Franke ist vom Schulungskonzept, auf das sich die zuständigen Verbände verständigt haben, nicht überzeugt. Er kritisiert den bürokratischen Akt.
- Online-Schulungen sind wohl der günstigste Weg, die Pflicht umzusetzen. Die Gebühr ist vergleichsweise gering – der organisatorische Aufwand bleibt.
Polyurethane (PU) sind in der Bauwirtschaft weit verbreitet. Sie finden sich etwa in Montageschäumen, Bodenbelagsklebstoffen, Ölen, Wachsen, Beschichtungen und Lacken. Das Problem: Ein Grundbaustein der Polyurethane – die Isocyanate – gelten als Auslöser berufsbedingter Atemwegserkrankungen, wie zum Beispiel hier im „Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 1315“ festgehalten wurde. Daher hat die Europäische Kommission eine Schulungspflicht für den Umgang mit Diisocyanaten beschlossen.
Fristende ist der 24. August 2023. Danach dürfen Produkte, die Diisocyanate in einer größeren Konzentration als 0,1 Gewichtsprozent enthalten, gewerblich oder industriell nur noch von Personen verwendet werden, die dafür eine Schulung zur sicheren Verwendung abgeschlossen haben.
Das Thema betrifft auch das Team der Zimmerei Lotze-Franke. Deren Chef Michael Franke ist vom Schulungskonzept der beteiligten Verbände alles andere als überzeugt. „Es ist sicherlich vernünftig, dass Handwerker im Umgang mit gefährlichen Stoffen geschult und unterwiesen sein müssen“, sagt Franke. Er kritisiert aber, „dass hier wieder so ein bürokratischer Akt daraus gemacht wird“.
E-Learnings statt Schulungen mit dem Team: „Unnötig umständlich“
Schulungsmittel der Wahl ist nicht etwa, dass zum Beispiel ein Außendienstler der Lieferanten seine Handwerkskunden vor Ort schult, sondern Online-Kurse. E-Learnings sollen der Heilsbringer für korrekte Schulungen sein. Die Mitglieder der Herstellerverbände Isopa/Alipa haben sich laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) verpflichtet, Schulungsmaterialien zu erarbeiten und auf einer Internetplattform bereitzustellen. Sie bieten unter der Website safeusediisocyanates.eu zum Beispiel Selbstlernkurse an. Kosten laut Website: 5 Euro pro Trainingszertifikat plus 10 Euro Gebühr pro Rechnung. Teil der Schulung ist eine Prüfung; das damit erworbene Zertifikat soll eine Gültigkeit von fünf Jahren haben, dann muss es erneuert werden.
Michale Franke empfindet die Online-Schulungen als unnötig umständlich: „Ich kann von meinen Mitarbeitern nicht verlangen, dass sie die Schulung privat am Wochenende machen“, sagt er. „Stattdessen muss ich nacheinander jedes Teammitglied wochentags an den Rechner setzen, damit es seine Schulung samt Zertifikat erhält“, erläutert Franke. Die Arbeit auf der Baustelle werde dadurch stark zerstückelt, der Organisationsaufwand wächst.
Unterweisungspflicht besteht weiterhin
„Es ist ja nicht so, dass wir zu wenig zu tun hätten“, stellt der Zimmerer- und Dachdeckermeister klar. Zwar gibt es zum Beispiel vom Fachverband Schaumkunststoffe und Polyurethane e.V. (FSK) neben E-Learning-Kursen das Angebot von In-House-Schulungen in den Unternehmen – da müssten Kunden laut Aussage des Verbands jedoch mit Zusatzkosten von etwa 1.000 Euro rechnen.
Wenig hilfreich findet Michael Franke auch die hohe Hürde der Schulung im Vergleich zu anderen potenziell gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten in einem Handwerksunternehmen. Der Umgang mit Sägen und anderen Maschinen oder das Wissen, sich vor feinen Holzstäuben korrekt zu schützen, seien schließlich nicht weniger relevant für die Gesundheit. „Darin dürfen wir unsere Mitarbeiter selbst unterweisen, wir lassen sie unterschreiben und es funktioniert“, sagt Franke. „Warum ist es nicht möglich, dass ich mich im Umgang mit PU-Produkten schulen lasse und dann meine Mitarbeiter unterweise?“ Wobei die Unterweisung natürlich trotzdem nicht fehlen darf. Die Baua bekräftigt: „Die Schulung entbindet nicht von den rechtlichen Vorgaben der Unterweisung nach § 14 GefStoffV.“
Baua: Bis zu 50.000 Euro Strafe sind möglich
Michael Franke will sich nun mit den Optionen des E-Learnings auseinandersetzen und dann rechtzeitig alle Mitarbeiter für den Umgang mit den PU-Stoffen schulen lassen. Nicht zuletzt würden Unternehmen Strafen drohen, die sich der Pflicht verweigern. Bei Nichteinhaltung könne die zuständige Behörde laut §23 des Chemikaliengesetzes eine Anordnung treffen, die der Arbeitgeber umsetzen muss, stellt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) auf Anfrage klar. Tut der Arbeitgeber das nicht, könne die Vollzugsbehörde die weitere Anwendung untersagen und eine Geldbuße bis zu 50.000 Euro verhängen.
Die drohenden Sanktionen erscheinen umso härter, wenn man bedenkt, dass für Privatanwender keinerlei Einschränkung im Umgang mit den Stoffen vorgesehen ist. „Wir Handwerksbetriebe müssen alles penibel beachten und einhalten, während jeder private Nutzer machen darf, was er will“, fasst Franke zusammen.
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