Leiterunfälle gehören zu den häufigen Arbeitsunfällen auf der Baustelle.
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Arbeitssicherheit

Wer haftet, wenn Mitarbeitende Sicherheitsregeln missachten?

Eigentlich wissen alle, dass man sich bei der Arbeit schützen muss. Doch Sicherheitshinweise werden von Mitarbeitenden gern ignoriert. Das kann für den Chef teuer werden.

Auf einen Blick:

  • Sicherheitsregeln müssen eingehalten werden, damit niemand bei der Arbeit verunglückt. Als Chef sind Sie für die Einhaltung verantwortlich und können haftbar gemacht werden.
  • Meckern hilft wenig, wenn Mitarbeitende die Regeln ignorieren, sagt ein Sicherheitsingenieur. Er empfiehlt eine andere Methode.
  • Kann es wahr sein? Schon wieder hat der Mitarbeiter den Helm nicht aufgesetzt. Oder die Gesellin balanciert auf Zehenspitzen auf der Leiter, um noch eben schnell die letzte Ecke zu streichen. Dabei haben Sie nicht nur 100, sondern gefühlt schon 1.000 Mal an die wichtigsten Sicherheitsregeln erinnert. Doch das rettet Sie im Zweifel nicht.

    Darum haften Sie als Chef

    Verunglückt einer Ihrer Mitarbeitenden, können Sie dafür haftbar gemacht werden. „Der Arbeitgeber ist in der Garantenstellung“, sagt Sicherheitsingenieur Donato Muro. „Garantenstellung“ ist ein Begriff aus dem Strafrecht. Wer die Garantenstellung hat, muss dafür einstehen, dass etwas – zum Beispiel ein Arbeitsunfall – nicht eintritt. Wer diese Pflicht nicht erfüllt, kann sich wegen Unterlassens strafbar machen.

    „Für Chefs bedeutet das, dass sie in der Haftung stehen, auch wenn kein Unfall geschieht“, betont Muro. „Es reicht, wenn die Berufsgenossenschaft bei einer Kontrolle eine gefährliche Situation entdeckt, während der Chef anwesend ist und untätig bleibt.“ Dann drohe mindestens ein Bußgeld, im schlimmsten Fall eine Anzeige wegen Unterlassens.

    Wenn tatsächlich etwas passiert, kommen zu dem Schock über den Unfall die Haftung und ein Strafverfahren hinzu: „Die Berufsgenossenschaft wird versuchen, sich ihre Kosten beim Arbeitgeber wiederzuholen, und die Staatsanwaltschaft wird ein Verfahren einleiten“, sagt Muro.

    Um zu beweisen, dass Sie als Arbeitgeber alles unternommen haben, um einen Unfall zu verhüten, müssen Sie mindestens drei Dinge vorlegen, so der Sicherheitsingenieur:

  • die entsprechende Betriebsanweisung und
  • den Nachweis für die regelmäßige Unterweisung des Mitarbeitenden zum Arbeitsschutz.
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    Warum Mitarbeitende die Sicherheit missachten

    Natürlich wissen erfahrene Teammitglieder, warum sie Sicherheitsbrillen aufsetzen und Leitern optimal ausrichten müssen. „Aber genau diese Routine kann zum Problem werden“, sagt Muro. „Die Konzentration liegt dann nicht mehr bei der Aufgabe, die fast automatisch erledigt wird.“ Er vergleicht die Situation mit Autofahren: „Oft genug konzentrieren wir uns nicht so auf den Verkehr, weil wir die Aufgabe Autofahren so routiniert erledigen, dass wir unseren Fokus woanders haben.“

    Oder die Mitarbeitenden sind so konzentriert auf ihre Arbeit, dass sie alles andere ausblenden. „Dann verstellt man die Leiter eben nicht, weil das ja die Arbeit unterbrechen würde“, beschreibt Muro das Problem. Böse Wille stecke in keinem der Fälle dahinter, ist der Ingenieur überzeugt.

    Foto: Donato Muro „Mit Meckern erreichen Sie gar nichts“, sagt Sicherheitsingenieur Donato Muro.

    Warum Sie mit Meckern nichts erreichen

    Ständiges Erinnern und Ermahnen führt beim Thema Arbeitssicherheit nicht zum Erfolg. Muro nennt dieses Vorgehen „die Polizeimethode“ – Kontrolle und Strafandrohung. „Sie funktioniert vielleicht kurzfristig, weil der Mitarbeiter keinen Ärger will. Sein Ziel ist aber, den Ärger zu vermeiden, nicht sein Verhalten zu ändern.“ Deshalb würden typischerweise, sobald der Chef wieder verschwunden oder der Anraunzer verdaut ist, die Anweisungen erneut ignoriert.

    Auch Strafen hält Muro für wenig erfolgversprechend. „Im schlimmsten Fall führt das dazu, dass Unfälle vertuscht werden.“

    Was wirklich gegen Sicherheitsmuffel hilft

    „Wer Sicherheitsanweisungen dauerhaft durchsetzen will, muss seine Mitarbeiter positiv bestärken, statt sie für Fehler zu kritisieren“, lautet Muros Credo. Nur so könnten im Team Automatismen entstehen, die dafür sorgen, dass die wichtigen Regeln eingehalten werden.

    „Natürlich dürfen Sie nicht ignorieren, wenn sich jemand neben dem Gastank eine Zigarette ansteckt. Aber betonen Sie das Positive am Verhalten ihrer Mitarbeiter“, so Muro. Achten Sie also darauf, was Ihr Team beim Arbeitsschutz richtig macht und loben Sie Ihre Leute dafür. „Lob hört jeder gern“, betont der Ingenieur. „Deshalb werden sich Ihre Mitarbeiter anstrengen, damit sie wieder eines bekommen.“ Irgendwann wird das Team ganz automatisch Schutzbrillen aufsetzen und Leitern verrücken – weil sie dieses Verhalten mit einem positiven Feedback verbinden.

    Diese Methode erfordere Ausdauer und Aufmerksamkeit des Chefs, sei aber die einzige, die langfristig Erfolg habe. Gerade jüngere Mitarbeitende hätten zudem Probleme mit der „Polizeimethode“, sagt Muro: „Sie erwarten eine positiv verstärkende Führungskultur.“ Sie habe zudem noch mehr Vorteile: „Die Stimmung ist gut und Ihre Mitarbeiter sind zufrieden.“

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