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Inhaltsverzeichnis

Nach der Gesellenprüfung

Erfolgreicher Azubi ohne Bleiberecht

Ein frisch gebackener Geselle und ein Betrieb, der den ehemaligen Azubi weiterbeschäftigen will – das klingt einfach. Ist es aber nicht, wenn der junge Ofenbauer als Flüchtling in Deutschland ist.

Auf einen Blick

  • Harouna Dicko aus Mali kam 2014 nach Deutschland.
  • Über ein Praktikum lernte er den Ofenbau-Betrieb von Rainer Niermann kennen. Er konnte als Auszubildender anfangen.
  • Trotz großer sprachlicher Schwierigkeiten zu Beginn der Ausbildung bestand Harouna Dicko jetzt seine Gesellenprüfung.
  • Rainer Niermann will ihn weiterbeschäftigen, doch Dicko droht die Abschiebung, wenn sein Asylantrag abgelehnt wird.


Fachkräftemangel ist für viele Handwerksbetriebe ein Problem. Gut also, wenn es einem Betrieb gelingt, nicht nur einen engagierten Lehrling auszubilden, sondern auch, ihn nach bestandener Prüfung als Gesellen einzustellen. Schlecht allerdings, wenn er als Flüchtling nach Deutschland gekommen ist, denn für eine sichere Aufenthaltsgenehmigung reicht ein Arbeitsvertrag nicht unbedingt aus.

Flucht von Mali nach Hannover

Die Geschichte beginnt in Mali. Harouna Dicko ist 16 Jahre alt, als er sich nach der Ermordung seiner Eltern allein auf den Weg nach Europa macht. 2014 landet er nach einer abenteuerlichen Reise in einem Flüchtlingsheim in Hannover. Dort lernt er Deutsch, über ehrenamtliche Helfer findet er eine Wohnung. Flüchtlingshelferin Susanne Lienen-Korb vermittelt ihm ein Praktikum bei der Ofenbaufirma Niermann im nahen Lathwehren. Und nach kurzer Zeit ist klar: Harouna Dicko kann als Auszubildender anfangen.

„Die Arbeit hat mir sofort großen Spaß gemacht“, sagt Dicko. Er habe sich in der Firma schnell wohlgefühlt, die Kollegen waren offen und hilfsbereit. Und auch von Kundenseite habe er weder Anfeindungen noch Diskriminierung erlebt.

Der Betrieb ist zufrieden mit dem engagierten Azubi

„Die Sprache war am schwierigsten“, erinnert sich Rainer Niermann an die Anfänge. „Manchmal haben wir auch Französisch gesprochen.“ Doch Dicko lernt schnell – auch von der schwierigen Fachsprache lässt er sich nicht entmutigen und besteht nach drei Jahren seine Gesellenprüfung.

„Es ist nicht so leicht, gute Auszubildende für unser Handwerk zu bekommen“, sagt Niermann, der seinen Betrieb seit 30 Jahren vor den Toren Hannovers führt. „Ofenbau erfordert Vielseitigkeit: Die jungen Leute brauchen ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen, müssen aber auch körperlich schwere Arbeit leisten wollen.“ Viele blieben nicht im Beruf, sondern hingen an die Ausbildung noch ein Studium an, ergänzt er.

Harouna Dicko möchte bleiben, aber der Asylantrag ist noch nicht entschieden

Anders Harouna Dicko. Er möchte bleiben. Im Betrieb von Rainer Niermann. Und in Deutschland. Ersteres ist kein Problem. Nach der bestanden Gesellenprüfung zum Luftheizungs- und Ofenbauer möchte Niermann den 22-Jährigen weiterbeschäftigen. Doch das ist nicht so leicht, denn Dickos Asylverfahren ist noch nicht entschieden.

Damit er überhaupt während des laufenden Verfahrens arbeiten darf, muss die Stadt Hannover zunächst eine Weiterbeschäftigung genehmigen, die Bundesagentur für Arbeit prüft zudem die Beschäftigungsbedingungen. Ist alles in Ordnung, kann die Ausländerbehörde eine Arbeitserlaubnis erteilen.

Niermann sucht Unterstützung bei der Politik

Der Antrag läuft, die Aussichten auf einen positiven Bescheid sind gut. Die Unsicherheit aber bleibt. Niemand weiß, wie lange das Asylverfahren noch läuft. Was ist, wenn der Antrag abgelehnt wird und Harouna Dicko abgeschoben wird?

Deshalb hat Niermann Briefe geschrieben: an Ministerpräsident Stephan Weil, an das Wirtschafts- und das Innenministerium und an die Integrationsbeauftragte Doris Schröder-Köpf. „Er hat sich wunderbar integriert und wir möchten ihn weiterhin bei uns in der Firma beschäftigen“, heißt es in dem Schreiben. Das Unternehmen habe Zeit und Geld in seine Ausbildung investiert. Sollte er nun ausgewiesen werden, würde wirtschaftlicher Schaden entstehen.

Ein Staatssekretär möchte Hoffnung machen

Geantwortet hat im Namen aller der Staatssekretär des Innenministeriums Stephan Manke. In freundlichem Ton dankt er für das Engagement des Unternehmens und macht Hoffnung. Es gebe verschiedene Möglichkeiten für den jungen Mann aus Mali, betont er in seienem Antwortbrief. Solange das Asylverfahren noch laufe, könne er auch bleiben. Und natürlich auch, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihn als Flüchtling anerkennt. Selbst wenn sein Asylgesuch abgelehnt werde, könne Dicko, so der Staatssekretär, über die sogenannte „Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete zum Zwecke der Beschäftigung in Deutschland“ weiter in Lathwehren arbeiten.

Doch Rainer Niermann reicht das nicht: „Die Unsicherheit bleibt doch“, sagt er. Weder für ihn und seinen Betrieb, noch für Harouna Dicko sei das eine dauerhafte Lösung.

Spurwechsel heißt das Verfahren, das nun helfen könnte und gerade heftig diskutiert wird. Gemeint ist, dass ein Asylbewerber, dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen oder der nur geduldet ist, in ein anderes Verfahren wechseln kann und eine Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken erhält.

ZDH-Präsident fordert Bleiberecht für integrierte Flüchtlinge

Für diese Idee gibt es viele Fürsprecher: „Mit einer gesetzlichen Übergangsregelung sollte den Flüchtlingen ein Bleiberecht gewährt werden, die bereits im Land sind, arbeiten und sich als integrationsfähig erwiesen haben“, sagt ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer. „Es wäre doch geradezu widersinnig, wenn man genau die abschiebt, die unsere Betriebe nach unseren Qualifikationsstandards zu den allseits gesuchten Fachkräften ausgebildet haben.“

Rainer Niermann kann dem nur zustimmen. Und auch für Harouna Dicko wäre eine langfristige Perspektive in Deutschland eine große Erleichterung. Aber ob sich die Befürworter des Spurwechsels in der politischen Debatte durchsetzen können, ist noch offen. Und genauso, ob die Geschichte von Harouna Dicko, die in Mali begann, in Deutschland mit einem Happy End ausgeht.

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