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Work-Life-Balance

Stressabbau durch Hypnose: Kann das funktionieren?

In Trance können wir unser Gehirn leichter umprogrammieren und so Stress abbauen oder Ängste bekämpfen. Eine Psychologin erklärt, warum - und wie Hypnose hilft.

  • In der Hypnose ist das Gehirn auf einer Ebene erreichbar, die der Verstand kaum erreicht.
  • Deshalb können in der Trance automatisierte Verhaltensmuster besonders gut verändert werden.
  • Dabei werden die Auslöser, die negative Reaktionen wie Angst oder Stress hervorrufen, umgedeutet. Das Ziel ist dabei, diese Trigger mit neutralen oder positiven Reaktionen zu belegen.
  • Einsetzbar ist Hypnose in vielen Bereichen: In der Schmerztherapie, aber auch bei der Raucherentwöhnung oder vor OPs und beim Zahnarzt. Auch Stressbewältigung kann mit Hypnose funktionieren.
  • Wieso fällt es uns so schwer, Stress abzubauen? Methoden gibt es doch reichlich. Problematisch ist aber meist das Durchhalten, denn zum Stressabbau müssen unbewusst ablaufende Reaktionen des Körpers erkannt, verändert und neue Gewohnheiten eingeübt werden. Kann dabei Hypnose helfen?

    Ja, sagen Experten, denn im Trancezustand ist unser Gehirn auf einer Ebene erreichbar, auf die wir mit unserem Verstand kaum zugreifen können. Die Psychologin Barbara Schmidt, Mitarbeiterin am Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie des Universitätsklinikums Jena, forscht zum Thema Hypnose und gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

    Hypnose – wie funktioniert das überhaupt?

    Wer an Hypnose denkt, sieht oft vermeintliche Magier vor sich, die mit einem Fingerschnippen Menschen in Trance versetzen und einem Publikum deren seltsames Verhalten vorführen. Doch mit therapeutischer Hypnose um Stress abzubauen oder Ängste zu überwinden, hat das nichts zu tun, sagt Barbara Schmidt.

    „Trancezustände kommen auch im Alltag vor“, erklärt sie. Jemand, der völlig in eine Tätigkeit versunken ist und dabei jedes Zeitgefühl verliert, sei in so einer Trance – bei der Arbeit, beim Musik machen oder beim Sport. Dabei laufen Bewegung und Reaktionen automatisiert ab. „In der Hypnose stellen wir diesen Zustand künstlich her, um automatisiertes Verhalten zu verändern“, erklärt Schmidt.

    In wissenschaftlichen Studien konnte die Psychologin zum Beispiel nachweisen, dass es möglich ist, Menschen in der Hypnose ein starkes Sicherheitsgefühl zu vermitteln, auch über die Trancesituation hinaus. „Diese Reaktionen lassen sich am EEG oder an der Atemfrequenz ablesen.“

    Deshalb wird Hypnose zum Beispiel vor oder während Operationen und bei Geburten eingesetzt, um Ängste abzubauen und das Schmerzempfinden zu vermindern. Auch viele Zahnärzte arbeiten bei Angstpatienten mit Hypnose. „Das funktioniert so gut, dass der Patient ein taubes Gefühl im Mund hat, obwohl gar kein Narkosemittel verwendet wurde“, so Schmidt. Hypnose ist eine hocheffiziente Therapiemethode, ist sie überzeugt.

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    Verliere ich bei der Hypnose die Kontrolle über mich?

    „Hypnose ist ein machtvolles Instrument“, sagt Psychologin Schmidt. „Deshalb ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Hypnotherapeut und Patient besonders wichtig.“

    Trotzdem müsse niemand befürchten, vollständig die Kontrolle zu verlieren, sich selbst zu verletzen oder nie wieder aufzuwachen. „Da gibt es Abwehrreaktionen in jedem gesunden Menschen, die das verhindern“, versichert Schmidt.

    Von Kontrollverlust will die Psychologin auch aus einem anderen Grund nicht sprechen: „Eigentlich ist es genau andersherum: Ich gewinne die Kontrolle über meine automatisierten Verhaltensmuster.“ Wer beispielsweise raucht, greift meist nicht wohlüberlegt zur Zigarette, sondern automatisch, weil ein Reiz – Stress, Hunger, Alkohol – dieses Verhalten auslöst.

    Was macht der Hypnotherapeut?

    „Wenn es beispielsweise um das Thema Ängste oder Stress geht, suche ich mit dem Patienten gedanklich einen geschützten Raum, an dem er sich sicher fühlt“, erläutert Schmidt. Das könnten sehr unterschiedliche Räume sein, etwa ein Platz in der Natur, das Bett zuhause oder eine ganz andere Situation. „Für einen meiner Patienten ist das die Fahrt mit der Brockenbahn durch den Harz, für einen anderen eher ein bestimmtes Gefühl“, beschreibt Schmidt die Bandbreite.

    Mit Suggestionen zur Entspannung, wobei der Patient besonders auf sein Ausatmen achtet, kann der Patient entspannen, bevor Schmidt ihn mit ihren Worten in den ganz persönlichen geschützten Raum führt. Dabei beschreibt sie plastisch alle Einzelheiten. Was dann in der Hypnosesitzung folgt, kommt ganz auf das Ziel der Therapie an, ob Blockaden oder Ängste überwunden werden sollen oder ob es um Raucherentwöhnung geht. Nach der Sitzung wird der Patient sanft aus der Trance geweckt. Viele fühlen sich dann frisch und entspannt wie nach einem kurzen Schlaf oder wie nach einer erfrischenden Dusche.

    Wie funktioniert nun Stressabbau mit Hypnose

    „Beim Stressabbau mit Hilfe von Hypnose ist es besonders wichtig, die Auslöser zu identifizieren“, sagt Schmidt. Wenn ein Unternehmer zum Beispiel jedes Mal Magenschmerzen bekommt, wenn das Telefon klingelt, kann dieser Reiz umgedeutet werden.

    „Den Stress verursacht die Erwartung, die mit dem Klingeln verbunden ist – ein verärgerter Kunde, ein Auftrag, der nicht bewältigt werden kann“, sagt die Psychologin. Das Klingeln könne aber auch positiv gedeutet werden: Mein Unternehmen ist erfolgreich, meine Arbeit ist gefragt, ich kann stolz sein. „Wir können in der Hypnose den Trigger so umdeuten, dass das Klingeln des Telefons eine positive Reaktion hervorruft: Wer weiß, was da jetzt Gutes kommt?“

    Statt gestresst zu sein, freut man sich dann über den Anruf. „Damit ist man in der optimalen Verfassung, ein erfolgreiches Telefonat zu führen, den Kunden zufriedenzustellen und langfristig einen positiven Umgang mit dem eigenen Umfeld zu etablieren, der sich wiederum positiv auf das eigene Wohlbefinden auswirkt“, erklärt Schmidt.

    Wie lässt der Erfolg wissenschaftlich belegen?

    Derzeit führt die Psychologin eine Studie zum Thema Stress durch. Probanden werden in Trance versetzt und erleben ein sicheres Gefühl. Noch in der Trance schreiben sie den Buchstaben S auf ein Blatt Papier, falten es und stecken es ein. „Später werden dann die Probanden in eine Stresssituation gebracht. Sie müssen ein Vorstellungsgespräch absolvieren und wissen nicht, mit welchen Fragen sie konfrontiert werden“, erklärt Schmidt. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Probanden, die ihren Zettel mit dem S anschauten oder auch nur dabei hatten, deutlich weniger gestresst waren als andere.

    „Der Zettel wird zum Trigger für das Sicherheitsgefühl“, erläutert Schmidt. „Je öfter die Probanden ihn in einer Stresssituation benutzten, desto besser funktioniert er.“

    Wie finde ich einen guten Hypnotherapeuten?

    „Auf der Website der renommierten Milton-Erickson-Gesellschaft für klinische Hypnose gibt es eine Therapeuten-Liste von Fachkräften, die sich zum Thema Hypnose dort weitergebildet haben“, sagt Barbara Schmidt. „Aber es kommt auch auf den Schwerpunkt des Hypnotherapeuten an und – noch wichtiger – auf die Beziehung zwischen Therapeut und Patient.“ Sie rät deshalb unbedingt zu einer Probesitzung.

    Zudem müsse ein guter Hypnotherapeut nicht unbedingt Arzt oder Psychologe sein, meint Schmidt. „Aber natürlich sollte sich der Hypnotherapeut mit Kollegen austauschen, sich fortbilden und das auch belegen können.“

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