Der Fall: Die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes fährt aus entgegengesetzter Richtung an einem Müllwagen vorbei. Das Müllabfuhrfahrzeug hat zu dieser Zeit den Motor und die Warnblinkanlage eingeschaltet. Zudem macht es mit gelben Rundumleuchten auf sich aufmerksam. Beim Vorbeifahren kollidiert die Frau mit einem Müllcontainer, der von einem Müllwerker hinter dem Müllwagen auf die Straße geschoben wird. Dadurch entsteht ein Sachschaden an dem Pkw. Der Pflegedienst verklagt deshalb den Abfallbetrieb und verlangt die Erstattung der Reparaturkosten.
Das Urteil: Die Richter am Bundesgerichtshof entscheiden, dass die Pkw-Fahrerin mit ihrem Überholmanöver gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen hat. Wer ein Müllabfuhrfahrzeug überholt, das erkennbar im Einsatz ist, könne nicht uneingeschränkt auf das verkehrsgerechte Verhalten der Müllwerker vertrauen. Man müsse damit rechnen, dass sie beim Ausüben ihrer Arbeit hinter dem Fahrzeug hervortreten und einige Schritte in den Verkehrsraum tun, bevor sie sich über die Verkehrslage vergewissern.
Verkehrsteilnehmer müssten ihr Fahrverhalten dementsprechend anpassen. Insbesondere die Geschwindigkeit beim Überholen sei so zu wählen, dass das Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen gebracht werden kann. In diesem Fall habe der Abstand des Pkws zum Müllfahrzeug weniger als 50 Zentimeter betragen und die Frau sei mit 13 km/h zu schnell unterwegs gewesen, begründeten die Richter ihre Entscheidung.
Doch gleichzeitig stehe der Fahrerin des Pkw nach § 7 StVG ein Schadensersatzanspruch zu. Denn der Wagen des Pflegedienstes sei beim Betrieb des Müllfahrzeugs beschädigt worden. Dem Betrieb des Müllfahrzeugs sei die Gefahr zuzurechnen, die von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für Verkehrsteilnehmer ausgeht. (Urteil vom 12. Dezember 2023, Az. VI ZR 77/23)
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