Auf einen Blick:
- Seit 2020 setzt Handwerksunternehmer Gerrit Terfehr in seinem Betrieb auf Building Information Modeling. Dafür hat er viel investiert – nicht nur in neue Software.
- Die Planer des Betriebs erstellen am Rechner ein 3D-Modell, später greifen die Kalkulation und die Bauleiter auf diese Daten zu. Dadurch sparen sie Zeit bei der Angebotserstellung und bei der Materialbestellung. Im Vertrieb profitiert der Baubetrieb jedoch am meisten vom BIM.
- Für Handwerkskollegen, die BIM einführen wollen, hat Terfehr Tipps. Und er verrät, mit welcher Methode er eine geeignete BIM-Software für seinen Betrieb gefunden hat.
BIM – diese drei Buchstaben fallen regelmäßig, wenn es um Digitalisierung auf dem Bau geht. Die Abkürzung steht für Building Information Modeling. Das ist eine kooperative Arbeitsmethode, bei der alle relevanten Daten eines Bauprojekts in einem digitalen Modell gebündelt werden – einem sogenannten digitalen Zwilling. Mit seiner Hilfe lassen sich Gebäude optimiert planen, erstellen und bewirtschaften. Trotz dieser Vorteile wartet BIM noch auf den großen Durchbruch. Ein Betrieb, der schon auf Building Information Modeling setzt, ist die Günter Terfehr Bautechniker GmbH & Co. KG in Rhede. Geschäftsführer Gerrit Terfehr hat die Arbeitsmethode 2020 eingeführt.
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Warum der Betrieb BIM eingeführt hat
„Unser Ziel war es, die internen Prozesse zu optimieren“, sagt der Bauingenieur und Maurer. Mit seinem Baubetrieb hat er sich auf schlüsselfertiges Bauen spezialisiert und beschäftigt etwa 100 Mitarbeitende – darunter Maurer, Betonbauer, Bauzeichner, Bautechniker und Bauleiter.
In Sachen Digitalisierung waren die einzelnen Abteilung lange Zeit ganz unterschiedlich aufgestellt: „Die Planer haben schon lange mit digitalen 3D-Modellen gearbeitet, während die Kalkulation und die Bauzeichnung noch mit Zettel und Papier gerechnet haben“, berichtet der Unternehmer. Die Folge: doppelte Arbeit und unnötig lange Prozesse. Terfehr entschied sich deshalb für BIM. Die drei Abteilungen sollten künftig mit einem digitalen Modell arbeiten und die gleiche Datenbasis nutzen.
Voraussetzungen für die BIM-Nutzung
Zunächst musste der Handwerksunternehmer die nötigen Voraussetzungen für BIM in seinem Betrieb schaffen. Er investierte deshalb in neue Software: „Wir mussten an allen Arbeitsplätzen die Software aktualisieren und die neueste Fassung kaufen“, berichtet der Emsländer. Pro Software-Arbeitsplatz habe das mehrere tausend Euro gekostet.
Doch das sei nicht die größte Investition gewesen: „Ich habe einen Mitarbeiter aus unserem Planungsbüro für mehr als ein Jahr von seinen eigentlich Aufgaben freigestellt“, sagt der Bauingenieur. Stattdessen habe der Mitarbeiter alle notwendigen Daten in das neue Softwareprogramm eingepflegt. Zu seinen Aufgaben gehörte unter anderem, einen Bauteilkatalog zu erstellen, Bauteile zu definieren, Details anzulegen und ein Massenmodell zu erstellen.
Nach fast anderthalb Jahren war es geschafft: „Da wir schlüsselfertig bauen, mussten wir alle Gewerke berücksichtigen und entsprechend viele Daten einpflegen“, begründet Terfehr die lange Vorbereitungszeit. „Erst danach konnten unsere Zeichner anfangen, mit dieser Methode zu zeichnen.“ Inzwischen nutzen auch andere Abteilungen das BIM-Modell – nicht nur die Kalkulation und die Bauzeichner.
3 Vorteile durch BIM für den Betrieb
Laut Terfehr hat sein Baubetrieb durch die BIM-Einführung mehrere Vorteile:
- Verkürzung der internen Prozesse: Die Kalkulation und die Bauzeichnung können jetzt auf das 3D-Modell der Planer zugreifen. „Sie müssen nun nicht mehr per Hand rechnen und sparen sich damit Massenermittlungen für die Angebotserstellung und für Materialbestellungen“, berichtet der Unternehmer.
- Verkaufshilfe: Inzwischen nutzt der Baubetrieb eine 3D-Visualisierung für den Vertrieb und hat auch extra eine VR-Brille angeschafft. „Den Kunden können wir die Entwürfe dadurch ganz präsentieren und verschaffen ihnen so ein besonderes Erlebnis“, sagt der Bauingenieur.
- Service für Kunden: Terfehr stellt seinen Kunden auch eine kostenlose App zur Verfügung: „Damit können sie sich die Entwürfe jederzeit auf dem Display ansehen.“ Auch nach Fertigstellung des Gebäudes liefert die App einen Mehrwert: „Wenn die Kunden zum Beispiel im Baumarkt nach einem Dübel suchen, können sie per Klick herausfinden, welchen Dübel sie für die Wohnzimmerwand benötigen.“
BIM: Das Warten auf die Kollegen
Der Baubetriebe aus Rhede arbeitet auf der Baustelle regelmäßig mit anderen Betrieben zusammen. Building Information Modeling spielt laut Terfehr dabei aktuell allerdings keine Rolle. „In vielen Handwerksbetrieben fehlt bislang die nötige Kompetenz“, sagt der Unternehmer. Terfehr würde sich eine stärkere Vernetzung wünschen und gerne zusammen mit anderen Betrieben an einem BIM-Modell arbeiten: „Dadurch würden sich viele Probleme früher erkennen lassen.“
Beispiel: Reicht ein Lüftungsbauer sein 3D-Modell ein, könne man es beispielsweise über das 3D-Modell des Statikers legen. So lasse sich direkt am Rechner erkennen, dass der Lüftungsbauer genau dort eine Lüftungsleitung geplant hat, wo sich ein statischer Unterzug befindet – technisch sei das unmöglich.
„Solche Kollisionen von vornherein zu vermeiden, wäre ein großer finanzieller Mehrwert für alle Betriebe“, betont Terfehr. Doch noch sieht die Realität auf der Baustelle anders aus: „Es kommt immer wieder vor, dass Dinge geändert oder abgerissen werden müssen.“
Tipps für Betriebe, die in BIM einsteigen wollen
Handwerkern, die ebenfalls BIM für ihren Betrieb nutzen wollen, rät Terfehr: „Entscheiden Sie sich nicht einfach für den erstbesten Software-Anbieter.“ Der Unternehmer hat gute Erfahrungen damit gemacht, sich bei Digitalisierungsprojekten externe Unterstützung zu holen: „Sowohl bei der Anschaffung des neuen CRM-System als auch bei BIM-Einführung haben wir uns von einer öffentlichen Beratungsfirma, der IT Emsland, beraten lassen.“
Die Auswahl der BIM-Software sei dann in vier Schritten erfolgt:
- Schritt 1: Zusammen mit der Beraterfirma hat sich das Team von Gerrit Terfehr die gesamten Prozesse im Baubetrieb auf Optimierungsmöglichkeiten überprüft.
- Schritt 2: Auf Grundlage der Ergebnisse wurde ein Lastenheft mit allen Anforderungen an die BIM-Software erstellt.
- Schritt 3: Das Lastenheft hat der Baubetrieb an mehrere Sofortware-Anbieter geschickt und Angebote angefordert.
- Schritt 4: Die eingehenden Angebote der Software-Anbietern erfüllten jeweils eine ganz unterschiedliche Anzahl an Anforderungen. Zusammen mit seinem Team hat der Unternehmer die Angebote miteinander verglichen und schließlich das Produkt ausgewählt, dass für den Betrieb am besten passte.
„Alleine hätte ich diese Entscheidung nicht fällen können“, sagt Terfehr. „Und ich kann Kollegen nur empfehlen, bei der Auswahl ebenfalls Hilfe in Anspruch zu nehmen.“
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