Auf einen Blick:
- Eine „Rechnungs- und Buchhaltungssoftware“, die das Ändern und Löschen von Rechnungen erlaubt, ist nicht GoBD-konform – aber sie ist nicht automatisch ein Grund für eine Schätzung durch das Finanzamt.
- Entscheidend ist, wie ein Betrieb seine Rechnungssoftware einsetzt: Druckt er alle Rechnungen aus und nutzt sie ausschließlich und konsequent in Papierform, kann ihm das Finanzamt daraus keinen Strick drehen. Selbst dann nicht, wenn er die Rechnungen zusätzlich speichert und später ein paar der Dateien fehlen.
- Dass Steuerberater dennoch zur GoBD-konformen Software raten und auch vom Einsatz von Word oder Excel für Rechnungen abraten, hat andere Gründe.
Der Fall: Finanzamt will wegen gelöschter und geänderter Rechnungen schätzen
Ein selbstständiger Servicetechniker für Kran-Anlagen soll nach einer Betriebsprüfung Steuern nachzahlen. Die Prüfer hatten die Umsatzsteuer der Jahre 2001 bis 2006 kontrolliert. Dabei war ihnen aufgefallen, dass in der Rechnungssoftware 2005 eine Rechnungsnummer doppelt vergeben und händisch geändert wurde. Außerdem fehlten zwei der automatisch fortlaufend nummerierten Rechnungen. Bei einer durchschnittlichen Rechnungssumme von 300 Euro kalkulierte der Fiskus für die beiden fehlenden Rechnungen mit einem satten Sicherheitsaufschlag von 100 Prozent und verlangte eine Nachzahlung von 1.200 Euro.
Der Unternehmer erklärte die Änderungen und Löschungen mit seiner fehlenden Erfahrung: Normalerweise würde eine Bürokraft die Rechnungen eingeben. Er selbst habe die beiden Rechnungen versehentlich gelöscht. Die Rechnungen seien jedoch nachvollziehbar.
Außerdem nutze er die „Rechnungs- und Buchhaltungssoftware“ nur für das Schreiben der Rechnungen, die er dann zwar speichere, aber auch ausdrucke. Ein gedrucktes Exemplar gehe an seine Kunden, das andere an den Steuerberater, der sich mit eigener Software um die Buchhaltung kümmere. Folglich sei er nicht zur elektronischen Archivierung verpflichtet.
Das Finanzamt bestand dennoch auf der Schätzung, weil der Handwerker die Ausgangsrechnungen zusätzlich zu den Ausdrucken gespeichert hatte. Daher müsse er die Vorschriften zur elektronischen Buchführung beachten. Dagegen habe er verstoßen, weil die Software nachträgliche Änderungen und das unprotokollierte Löschen von Rechnungen erlaube.
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Das Urteil: Es kommt auf die Nutzung der Software an
Das Finanzgericht Niedersachsen entschied zugunsten des Unternehmers. Zur Begründung führte es zwei Punkte an:
- Dass zwei aufeinander folgende fehlenden Rechnungen fehlten, sei kein Grund für eine Schätzung. Es handele sich um ein einmaliges Ereignis innerhalb eines einzigen Jahres. Wie das passieren konnte, habe der Handwerker schlüssig begründet.
- Es handele sich zwar um eine Rechnungs- und Buchhaltungssoftware. Der Unternehmer habe mit ihr jedoch lediglich seine Rechnungen geschrieben und ausgedruckt. Die Buchhaltung erledigte der Steuerberater mit dafür geeigneter Software. Eine Schätzung wegen Manipulierbarkeit der Rechnungen sei hier nicht gerechtfertigt.
Zudem sei es „vollkommen unverständlich“, warum das Finanzamt in diesem Fall „das bloße Schreiben von Rechnungen“ mit der Software anders behandelt, als wenn die Rechnungen mit Word oder Excel geschrieben worden wären.
Mit solchen Office-Programmen erstellte Rechnungen lassen sich ebenfalls nachträglich ändern und löschen, ohne Änderungen und Löschungen zu dokumentieren. Dennoch sehe die Finanzverwaltung Word und Excel lediglich als „bessere Schreibmaschinen“ an, so das Gericht. Im Gegensatz dazu habe sie die „Rechnungs- und Buchhaltungssoftware“ des Handwerkers als Datenverarbeitungssystem eingestuft.
Daher sei die Hinzuschätzung durch das Finanzamt „vollständig unangemessen und damit rechtswidrig“. (Urteil vom 03. Juni 2021, Az. 11 K 87/20)
Hintergrund: GoBD-konforme Lösungen gibt es auch in Word und Excel
Das Urteil macht deutlich, was die Grundsätze der digitalen Buchführung (GoBD) für das Schreiben von Rechnungen bedeuten: Es kommt nicht darauf an, mit welcher Software Sie Rechnungen schreiben oder ob das Programm mehr kann. Entscheidend sind zwei andere Faktoren:
- Ist die Software GoBD-konform, weil sie Dokumente unveränderbar speichern und Löschungen protokollieren kann?
- Wie nutzen Sie die Software und wie geht es mit fertigen Rechnungen weiter?
Das führt zu drei GoBD-konformen Lösungen:
Variante 1: Ist die Software nicht GoBD-konform? Dann können Sie damit Rechnungen schreiben. Aber Sie müssen die Rechnung für jede weitere Nutzung ausdrucken und in Papierform archivieren. Sie dürfen die Rechnungsdateien zwar speichern, sie aber nicht digital an Kunden oder den Steuerberater weiterleiten oder selbst in der Buchhaltung weiterbearbeiten.
Variante 2: Ist die Software GoBD-konform, dann können Sie Rechnungsdateien digital für alle Zwecke nutzen – vom Rechnungsversand bis zur Archivierung.
Variante 3: Sie können natürlich auch eine GoBD-konforme Software als bessere Schreibmaschine wie in Variante 1 nutzen – wofür sie allerdings ein bisschen teuer wäre.
Egal, für welche Lösung Sie sich entscheiden: Sie müssen konsequent dabei bleiben. Mal Papierform, mal digitale Speicherung – das wird das Finanzamt nicht akzeptieren.
Warum Steuerberater vor Word und Excel warnen
Dass Software-Hersteller immer wieder vor Word, Excel & Co warnen, sollte Sie nicht irritieren: Für die Anbieter geht es um Umsatz.
Ähnlich lautende Warnungen Ihres Steuerberaters sollten Sie ernster nehmen. Denn der hat zwei gute Gründe:
Effizienz: Nutzen Sie im Betrieb eine GoBD-konforme Software, dann kann der Steuerberater Ihre Daten direkt in sein System einspielen. Das spart Zeit und Geld – auch für Sie als Mandanten.
Fehleranfälligkeit: Erfahrene Steuerberater wollen damit ihre Mandanten schützen, denn sie wissen, wie schnell sich Fehler im Umgang mit solchen Programmen einschleichen. Irgendwann wird dann doch einmal eine in Word geschriebene Rechnung an einen Kunden gemailt oder nur digital archiviert, statt sie auszudrucken. Dann noch eine und noch eine … Und plötzlich stecken Sie in der GoBD-Falle. Einmal oder zweimal kann ein Finanzgericht so etwas akzeptieren. Wenn es jedoch immer wieder vorkommt, wird die Office-Software zum Datenverarbeitungssystem. Kommen dann noch gravierende Mängel hinzu, zum Beispiel in der Buchhaltung, darf das Finanzamt Ihren Gewinn komplett schätzen.
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