Foto: Susanne Hübner


Dirk Stein Gebäudetechnik

Inhaltsverzeichnis

Panorama

Wie Anrufe bei lokalen Handwerkern im Ruhrgebiet landen

Kunden suchen Handwerker aus Gifhorn, plötzlich stehen Leute aus dem Ruhrgebiet vor der Tür. Handwerker Dirk Stein warnt vor kuriosen Fällen, die viel Verwirrung hinterließen.

Auf einen Blick:

  • Beim Versuch, Handwerker aus der Nachbarschaft anzurufen, landeten Kunden aus Gifhorn bei Anbietern, die hunderte Kilometer entfernt saßen. Im guten Glauben, mit lokalen Handwerkern zu sprechen, wurden die beauftragt, reisten an und verursachten hohe Kosten.
  • Folge: Die Kunden beklagten sich bei den völlig unbeteiligten Chefs der echten Handwerksbetriebe aus Gifhorn.
  • Wie kamen die Anrufe ins Ruhrgebiet zustande? Eine Möglichkeit: Passend zu den lokalen Handwerksbetrieben in Gifhorn wurden bei Google Anzeigen geschaltet. Eine andere Möglichkeit: Hacker waren am Werk. Eine eindeutige Antwort gibt es nicht.
  • Die Betroffenen wollen nur eins: Kollegen warnen, damit sie vorbereitet sind, falls ihren Kunden Ähnliches passiert.

Einen Anruf wie diesen hatte Dirk Stein in seinem Leben noch nicht gehabt: Steins Mitarbeiter hätten nach der Reparatur eine defekte Heizung hinterlassen, sie funktioniere immer noch nicht, bemängelte ein Herr Meinert am Telefon – angeblich ein Kunde von Stein. Der Chef der Stein Gebäudetechnik reagierte irritiert. „Wer war da, einer meiner Leute?“, fragte er den Kunden.

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Kunden: verärgert, Handwerker: überrascht

Kein Wunder, dass der Handwerksmeister nichts von dem Einsatz wusste. Wie sich herausstellte, hatte der Kunde zwar die Telefonnummer des Gifhorner Betriebs im Netz gesucht und gewählt. Gesprochen aber hatte er unwissentlich mit einem ganz anderen Unternehmen. Das schickte einen vermeintlichen Handwerker, der laut Kfz-Kennzeichen wohl aus Essen kam. „Über 400 Euro habe ich dafür gezahlt, dabei lief die Heizung auch weiterhin nicht“, berichtet Meinert. Dirk Stein schaute sich das „Werk“ später an. Urteil: „Das war unter aller Sau, das konnte gar nicht laufen.“

Nach einem Bericht über diesen Vorfall in einer Regionalzeitung meldeten sich weitere Handwerker mit ähnlichen Erfahrungen bei Stein. Darunter auch Daniel Krenzke, Geschäftsführer der Elektro Busse GmbH aus Gifhorn: „Ein vermeintlicher Kunde rief uns aufgeregt an und ist uns verbal gleich ziemlich hart angegangen“, berichtet der Elektromeister. Die Arbeiten bei diesem Kunden waren nicht komplett erledigt worden, dafür wurde bar abkassiert. „Keiner unserer Mitarbeiter hatte je mit dem Kunden zu tun“, sagt der Handwerker. Stein und Krenzke kennen noch vier weitere Betriebe, die Ähnliches erlebt haben.

Irreführende Anzeigen in der Google-Suche

Wie lässt sich das erklären? Laut Auskunft der Handwerker hatten die geprellten Kunden eines gemeinsam: Sie suchten ihre Handwerker per Smartphone. Bei Daniel Krenzke habe ein Kunde gezielt nach „Elektro Busse Gifhorn“ gesucht. Wir stellen die Suchanfrage mit dem Redaktions-Smartphone nach. Ergebnis: Mal taucht unverdächtig der Betrieb ganz oben als Suchergebnis auf, mal aber auch eine Anzeige mit dem Titel „Elektriker Gifhorn“ und einer Mobilrufnummer, die sich direkt aus der Google-Suche heraus anrufen lässt. Hier im Video (alternativ Youtube-Link "Suchanfrage mit unerwartetem Ergebnis" klicken):

Mit der eigentlich gesuchten Elektro Busse GmbH haben der gefundene Eintrag und die Telefonnummer nichts zu tun. Bei der Anzeige handelt es sich laut Impressum der zugehörigen Website um einen Anbieter mit Sitz in Nordrhein-Westfalen (NRW). Insgesamt kann Google der Website 300 Unterseiten für verschiedene Städte aus dem gesamten Bundesgebiet zuordnen. Neben Gifhorn finden sich dort häufig andere kleine Orte wie Rottau, Elbersberg oder Bad Schandau. Ihre Gemeinsamkeit: der inhaltliche Aufbau und die Kontakttelefonnummer.

Ein ähnliches Suchergebnis erhalten wir bei der Suche nach „Heizung Stein Gifhorn“. Hier wird die Anzeige „Heizungsservice für Gifhorn“ ausgespielt, wieder mit einer Mobilnummer auf passender Schaltfläche, um unkompliziert direkt anrufen zu können. Auch dieser Anbieter sitzt laut Impressum in NRW. Waren die Kunden aus Gifhorn raffiniert platzierten Anzeigen in der Google-Suche auf den Leim gegangen? „Es könnte tatsächlich so abgelaufen sein“, sagt Daniel Krenzke von Elektro Busse. Er schränkt aber ein: „Unsere Kundin versicherte uns, dass im Suchergebnis explizit ‚Elektro Busse‘ stand.“

Gezielter Hack ist unwahrscheinlich

Auch passt eine weitere Schilderung von Steins Kunden nicht ins Bild. Er habe einen weiteren Notdienst angerufen, dessen Nummer er direkt von einem Bekannten diktiert bekommen habe. Erneut wäre er bei derselben Hotline gelandet wie beim ersten Versuch, als er Stein Gebäudetechnik erreichen wollte.

Handelte es sich möglicherweise also um einen Hack? Wurden die Nummern der Handwerker mit automatischen Weiterleitungen versehen? „Zumindest im Mobilfunkbereich ist so etwas denkbar“, sagt Marco Hoffmeier, Geschäftsführer des Auricher IT-Sicherheitsunternehmens Net.e - Network Experts GmbH. „So ein Angriff ist technisch und organisatorisch allerdings mit einigem Aufwand verbunden.“ Angreifer würden dafür eine Sicherheitslücke im sogenannten SS7-Protokoll ausnutzen. So könnten sie Anrufe, die für einen Handwerker bestimmt sind, umleiten und selbst beantworten.

Allein mit der Mobilnummer eines Handwerkers gelinge so ein Angriff aber noch nicht. „Man bräuchte auch die dazugehörige Internationale Mobilfunk-Teilnehmerkennung“, sagt Hoffmeier, der sich auf Netzwerksicherheit und IT-Forensik spezialisiert hat. „Dafür bräuchte es schon einen Komplizen beim Mobilfunkanbieter“, gibt er zu bedenken. Normalerweise würden solche Angriffe dort angewendet, wo sich der hohe Aufwand für Cyberkriminelle auszahlt, zum Beispiel beim Knacken von Online-Banking-Konten. Für einen Telefonbetrug und ein paar hundert Euro Umsatz mit schlechten Handwerkerleistungen, scheine dieses Vorgehen jedoch unverhältnismäßig zu sein.

Furcht vor Rufschädigung

Der Gifhorner Telefonspuk scheint mittlerweile vorbei zu sein. Der zuständigen Polizeibehörde wurden jedenfalls keine weiteren Ereignisse dieser Art gemeldet. Auch habe niemand Anzeige erstattet. Dirk Stein ärgert der Fall dennoch. „Das ist eine Rufschädigung meiner Firma“, sagt der Elektromeister. Ihm ist wichtig, andere Kollegen im Handwerk vor der Masche zu warnen, falls bei ihnen Ähnliches passiert. „Dann können sie den Fall wenigstens leichter einordnen und aus der Welt räumen.“

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