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Digitalisierung + IT

App aus dem Handwerk: Mehr Effizienz mit Mapstrom

Ein Harzer Handwerksbetrieb sagt der Stromkreissuche in Gebäuden den Kampf an. Die Eigenentwicklung Mapstrom soll auch anderen Betrieben helfen.

Auf einen Blick:

  • Wo ist der Verteilerkasten, welche Verbraucher hängen an welchem Stromkreis? Aufträgen in unbekannten Gebäuden waren für das Harzer Unternehmen Elektroservice Reuss häufig mit unnötigen Verzögerungen verbunden.
  • Weil es am Markt keine Lösung für dieses Problem gab, entwickelten der Elektrotechnikermeister Andreas Reuß und seine Schwiegertochter Susanne Reuß eine eigene Software: Mapstrom.
  • Mapstrom ersetzt die Zettelwirtschaft bei der Dokumentation der installierten Elektrotechnik. Monteure können Änderungen vor Ort eintragen und direkt für alle Beteiligten an einem Projekt verfügbar machen.

Auf den ersten Blick erscheinen sie wie lästige Kleinigkeiten. Doch bei genauerer Betrachtung treten sie regelmäßig auf, bremsen die Mitarbeiter und kosten den Betrieb über Jahre Unmengen an Geld. Elektrotechnikermeister Andreas Reuß kennt die Wirkung solcher Probleme nur zu gut. Ein Beispiel aus seinem Arbeitsalltag: Eine Schule hat einen elektrischen Störfall und ruft das Unternehmen zur Behebung der Störung. Technisch eine Kleinigkeit, doch vor Ort beginnt das Rätselraten: Wo ist der Stromkreisverteiler? Welche Verbraucher hängen an welchem Stromkreis? „Da können bis zu zwei Stunden vergehen, bevor unser Mitarbeiter überhaupt mit der Arbeit beginnen kann“, erklärt der Geschäftsführer von Elektroservice Reuss aus Ballenstedt im Harz.

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Großer Aufwand durch lückenhafte Dokumentation

Gerade bei komplexen Gebäuden, die immer wieder von unterschiedlichen Firmen teilsaniert wurden, sei die Dokumentation der installierten Technik lückenhaft – und manchmal seien die Akten gar nicht spontan verfügbar. „So entsteht uns Aufwand, den ich gar nicht guten Gewissens in Rechnung stellen kann“, sagt der Elektrotechnikermeister.

Doch der Chef des Harzer Elektrobetriebs ist niemand, der beklagenswerte Zustände tatenlos hinnimmt. Reuß packt Probleme aktiv an – und wenn Digitalisierung seinem Betrieb helfen kann effizienter zu arbeiten, investiert er darin gerne Zeit und Geld. Das sieht man gut an der digitalen Ausstattung des Unternehmens: CAD-Software für die digitale Planung und Dokumentation seiner Elektroinstallationen setzt Elektroservice Reuss ebenso ein wie ein „Building-Information-Modeling“-System (BIM) zur vernetzten Arbeit an Bauwerken mit Planern und Architekten.

Das Problem schlecht dokumentierter Stromkreise und Stromverbraucher in Gebäuden allerdings lies sich nicht durch eine Investition in vorhandene Technik lösen. Etwas Neues musste her.

Mit Mapstrom zu mehr Effizienz

Der Elektromeister schilderte seiner Schwiegertochter Susanne Reuß das Problem – und fand in ihr eine digitalisierungsbegeisterte Geschäftspartnerin. Gemeinsam begannen sie eine eigene Software zu entwickeln: Das Projekt Mapstrom war geboren. „Mapstrom bietet Elektroinstallateuren einen visualisierten und mobilen Zugriff auf aktuelle Objekt-, Grundriss- und Stromkreisinformationen per App an“, erklärt Susanne Reuß. Die lästige Suche entfällt, und die Installateure haben mehr Zeit für wichtige Arbeiten.

Wie funktioniert Mapstrom im Vergleich zur gängigen Dokumentation? „Bisher wurde überwiegend in Papierform dokumentiert“, sagt Andreas Reuß. In der Regel verfügt der Verwalter eines Gebäudes über Grundrisse und Dokumentation der technischen Installationen. Steht eine Sanierung oder Revision an, werden dem beauftragten Handwerksbetrieb die zur Arbeit benötigten Dokumente ausgehändigt. Im Idealfall werden alle Änderungen in Papierform dokumentiert und zurückgegeben. „Das gelingt in der Praxis aber nicht zuverlässig“, erklärt der Elektrotechnikermeister.

Und selbst wenn ein Betrieb gewissenhaft alle Änderungen in einem Gebäude dokumentiert, hat er große Aufwände. In der Vergangenheit haben die Mitarbeiter bei Elektroservice Reuss Änderungen beispielsweise vor Ort handschriftlich notiert und an Andreas Reuß übergeben, der sie anschließend in seiner CAD-Software digital aufbereitet hat. Das ist bequem für alle, die auf seine digitale Dokumentation zurückgreifen können, aber doppelte Arbeit für den Ballenstedter Elektrobetrieb.

So funktioniert Mapstrom

Mapstrom macht das alles anders: „Führt ein Mapstrom-Nutzer eine Revision in einem Bestandsgebäude durch, schaut er sich einfach den Ist-Zustand des Gebäudes mit allen Stromkreisen und Verbrauchern auf seinem Tablet an“, erklärt Susanne Reuß. In einer Browser-Version der App zeigt sie das an einem Beispielgebäude. Dort ist der Grundriss jeder Etage des Gebäudes anwählbar. Die verlegten Stromkreise sind gut sichtbar dokumentiert. Es genügt ein Klick auf einen angeschlossenen Verbraucher im Stromkreis, schon werden alle weiteren Verbraucher auf diesem Stromkreis farblich hervorgehoben.

Darüber hinaus sollen sich künftig Zusatzinformationen der angeschlossenen Verbraucher einsehen lassen. Bei einer Sporthalle ließe sich etwa anzeigen, welches Leuchtmittel in der Decke verbaut ist. „So kann ich schon Ersatz ordern, bevor ich die Leiter aus dem Fahrzeug geholt habe um mir das Problem aus der Nähe anzusehen“, erklärt die Mapstrom-Mitgründerin.

Ein Mapstrom-Nutzer könne auf der Baustelle nicht nur auf sämtliche Informationen zu den Installationen zugreifen, sondern sie auch nach getaner Arbeit aktualisieren und erweitern. Da die Daten in der Open Telekom Cloud zentral gespeichert werden, habe jeder befugte Betrieb jederzeit Zugriff auf die aktuellsten Daten. Sollte noch keine digitale Vorlage vorhanden sein, könnten Installationsbetriebe sie vor Ort erstellen. „Über einen Editor lässt sich ein Grundriss zeichnen, der eine visuelle Orientierung gibt. Auch Zusatzräume lassen sich einzeichnen“, erläutert Susanne Reuß.

Spart bis zu 30 Prozent Arbeitszeit

Im Rahmen der Beta-Tests haben die Mapstromgründer die Software bereits von Branchenkollegen einige Wochen testen lassen. Auch die Mitarbeiter von Elektroservice Reuss nutzen sie. „Wir sparen jetzt schon Zeit, wenn wir ein Objekt neu aufnehmen, weil die doppelte Arbeit aus analoger Dokumentation und ihrer Digitalisierung entfällt“, erklärt Elektrotechnikermeister Andreas Reuß. „Und wenn man bei einem Folgeauftrag auf die digitalen Daten zugreifen kann, geht alles richtig schnell.“ Bei serviceintensiven Aufträgen hat der Betrieb gemessen, dass er durch die Nutzung seiner Software bis zu 30 Prozent Arbeitszeit pro Auftrag einsparen kann. „Das ist mitunter ein Auftrag mehr am Tag“, sagt der Unternehmer.

Den offiziellen Markteintritt planen die Mapstrom-Gründer für November. „Wir wollen, dass jeder Elektrobetrieb von Mapstrom profitieren kann“, erklärt Susanne Reuß. Dafür seien bereits Schnittstellen geplant, um die digitale Vernetzung weiter auszubauen. „Die Einbeziehung des Standard-Datenaustauschmodells BIM spielt für unsere weitere Entwicklung eine wesentliche Rolle“, sagt Andreas Reuß.

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