Auf einen Blick
Soziale Kompetenz: Handwerksbetriebe sind auf Auszubildende angewiesen, die mitdenken können, sagt Michael Kals.
Wer jedes Problem von seinen Kindern fernhält, raubt ihnen eine wichtige Erkenntnis: „Das eigene Verhalten hat Konsequenzen.“
In seiner Werkstatt hat Kals einen Toilettendienst eingeführt. Vom Azubi bis zum Chef – keiner kann sich davon freikaufen.
Kampfzone Klassenzimmer: Sandra Maischberger hat mit Eltern, Schülern und Lehrern diskutiert, was an „Schulen schiefläuft“. Eine Frage: „Werden Deutschlands Schüler tatsächlich immer unfähiger?“ Auf der Suche nach einer Antwort begrüßt die Moderatorin einen „Kronzeugen“ des Ausbildungsalltags, den Tischlermeister Michael Kals. Und worüber spricht der Mann? Über eine dumme Situation auf dem stillen Örtchen!
„Es geht um Verantwortung für seine Umgebung“
„Man geht auf die Toilette und das letzte Blatt Papier ist weg.“ Als Kals seine Sätze beginnt, ist ein nervöses Lachen von Maischberger zu hören. Worauf will der Handwerksmeister hinaus? „Man sollte dafür sorgen“, fährt Kals fort, „dass eine neue Rolle da liegt.“
Den anderen Talk-Gästen ist anzumerken, dass sie das Beispiel nachvollziehen können, schließlich war schon jeder einmal in dieser Bredouille.
Was Kals eigentlich sagen will: „Soziale Grundkompetenzen sind wichtiger als alle anderen Fähigkeiten, die ein junger Mensch mit in die Ausbildung bringt.“ Er wünscht sich Auszubildende, die Verantwortung übernehmen. Verantwortung für ihr eigenes Leben – und für ihre Umgebung.
„Im Pausenraum wird die Veränderung sichtbar“
Kals betreibt die Tischlerei „Manufact“ im Kölner Stadtteil Dellbrück gemeinsam mit zwei weiteren Tischlermeistern. Das Trio bildet seit 1990 ununterbrochen aus. Kals war jahrelang Lehrlingswart der Kölner Tischlerinnung, mittlerweile ist er Obermeister.
„Wir haben ganz gut mitgekriegt, wie sich Ausbildung entwickelt hat und wie Schüler an so eine Sache wie Beruf herangehen“, sagt Kals. Aber sind soziale Kompetenzen bei Jugendlichen wirklich verlorengegangen? Oder haben sich Kals und seine beiden Kollegen lediglich im Laufe der Zeit von der aktuellen Schülergeneration entfernt? Heben hier womöglich 3 ältere Herren die Zeigefinger, weil sie junge Leute nicht mehr verstehen?
Kals lacht bei diesen Fragen. Einerseits, sagt er, stimme die Einschätzung. Ein ehemaliger Berufsschullehrer habe kürzlich zu ihm gesagt: „Es hat noch nie eine Zeit gegeben, in der irgendjemand jubiliert hat, weil die Auszubildenden so toll waren.“ Und andererseits? „Sie sollten einmal den Tisch in unserem Aufenthaltsraum nach der Pause sehen – da wird die Veränderung sichtbar.“
„Eltern sollten ihren Kindern Enttäuschungen gönnen“
Die Betriebe seien auf Mitarbeiter angewiesen, die einen Blick und ein Gefühl für ihr Umfeld entwickeln. Der Zuckertopf im Pausenraum ist leer? Keine große Sache. „Wenn mir allerdings im Maschinenraum auffällt, dass der Leim knapp wird, ich mich aber nicht darum kümmere, dass neuer beschafft wird, dann bekomme ich ein wirtschaftliches Problem.“
Wo würde Kals ansetzen? Wie können Eltern, Lehrer und Ausbilder soziale Kompetenzen vermitteln?
„Wir versuchen zu oft, jede Unbill von unseren Kindern fernzuhalten. Wir vergessen dabei, dass die Verantwortung für das eigene Tun eine Kompetenz ist, die an anderer Stelle dringend abgefragt wird“, antwortet Kals. Beim Stichwort „Helikoptereltern“ verdreht er die Augen: „Das Überbehüten ist das Schlimmste, was Eltern ihren Kindern antun können.“
Wir sollten, sagt Kals, unseren Kindern „Enttäuschungen gönnen“. Erst ein Reinfall führe dazu, die Konsequenzen des eigenen Verhaltens zu erkennen.
„Keiner kann sich vom Toilettendienst freikaufen“
Kals hat noch eine weitere Toilettengeschichte auf Lager. Und er hätte sie zu gerne erzählt, wenn ihm Sandra Maischberger während der Fernsehdiskussion mehr Zeit eingeräumt hätte. „Wir haben uns jahrelang darüber geärgert, dass unsere Leute die Toilette nicht sauber hinterlassen können.“
Die Lösung: Toilettendienst. Jeder Mitarbeiter von Manufact muss das Klo putzen. Oder wie Kals es ausdrückt: „Alle müssen mit Handschuhen in das tiefste Loch hinein, keiner kann sich davon freikaufen, auch nicht die Meister.“
Der Effekt: eine deutliche Verbesserung. „Wir haben die Verantwortung dafür auf alle Mitarbeiter verteilt – ich kann das nur empfehlen.“
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