Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung: Laut einem Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums soll sie Betriebe mit mehr als 10 Mitarbeitenden treffen.
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Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung: Laut einem Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums soll sie Betriebe mit mehr als 10 Mitarbeitenden treffen.

Politik und Gesellschaft

Elektronische Arbeitszeiterfassung: Für wen gibt es Ausnahmen?

Neuer Anlauf: Das Bundesarbeitsministerium will nun doch Betriebe aller Branchen zur elektronischen Arbeitszeiterfassung verpflichten. Mit einer Ausnahme.

Auf einen Blick:

  • Laut einem Gesetzentwurf plant das Bundesarbeitsministerium die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung.
  • Allerdings soll es Übergangsfristen geben und kleinen Betrieben bis 10 Mitarbeitenden könnte die elektronische Dokumentation erspart bleiben.
  •  Ob die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung tatsächlich wie im Gesetzentwurf vorgesehen kommt, bleibt abzuwarten. Es gibt Widerstand.

Die elektronische Arbeitszeitkontrolle auf Baustellen konnte der Zentralverband Deutsches Baugewerbe 2022 noch abwenden. Jetzt gibt es neuen Vorstoß: Das Bundesarbeitsministerium will Arbeitgeber verpflichten, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden elektronisch zu erfassen. Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, der der handwerk.com-Redaktion vorliegt. Die geplanten Änderungen am Arbeitszeitgesetz würden nicht nur Baubetriebe treffen, sondern Unternehmen aus allen Branchen.

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Was steht im Gesetzentwurf?

Laut dem Gesetzentwurf will das Bundesarbeitsministerium Arbeitgeber dazu verpflichten Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ihrer Beschäftigten elektronisch zu erfassen – und zwar am Tag der Arbeitsleistung.

„Damit enthält dann das Arbeitszeitgesetz genau die Verpflichtung, die auch das Bundesarbeitsgericht schon ausgesprochen hat“, sagt Cornelia Höltkemeier von der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte die Betriebe im September zur Erfassung der täglichen Arbeitszeiten verpflichtet. Allerdings hatte das Gericht den Arbeitgebern Gestaltungsspielraum gelassen und keine elektronische Zeiterfassung vorgeschrieben.

Über die grundsätzliche Pflicht zur Zeiterfassung plant das Arbeitsministerium noch weitere Neuerungen. Dazu gehören unter anderem:

  • Für die Arbeitszeiterfassung sollen grundsätzlich die Arbeitgeber verantwortlich sein. Sie können die Dokumentation allerdings delegieren – zum Beispiel an die Mitarbeitenden oder deren Vorgesetzte.
  • Die sogenannte Vertrauensarbeitszeit soll weiterhin möglich sein. Allerdings müssen auch für diese Beschäftigten die vorgeschriebenen Pausen und Ruhezeiten eingehalten werden. ·        Beschäftigte sollen das Recht erhalten, sich bei ihrem Arbeitgeber über die aufgezeichnete Arbeitszeiten zu informieren. Auf Wunsch müssen Betriebe ihren Mitarbeitenden auch eine Kopie der Aufzeichnungen aushändigen.
  • Die Tarifpartner und Betriebsräte sollen die Möglichkeiten bekommen, die Aufzeichnung in „nichtelektronischer Form“ – also auf Papier – zu vereinbaren.

Ausnahmen und Übergangsfristen bei der Arbeitszeiterfassung

Betriebe mit bis zu 10 Mitarbeitenden will der Gesetzentwurf von der Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung ausnehmen.

Für größere Betriebe sind laut Gesetzentwurf Übergangsfristen geplant

  • Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten sollen 5 Jahre Zeit bekommen, um die elektronische Arbeitszeiterfassung einzuführen.
  • Für Unternehmen, die mehr als 50 und weniger als 250 Mitarbeitende haben, ist eine Übergangsfrist von 2 Jahren geplant.
  • Und für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden soll es eine Übergangsfrist von einem Jahr geben.

Was sagt das Handwerk dazu?

Der Referentenentwurf wird aktuell heiß diskutiert. Reaktionen aus dem Handwerk gibt es bislang aber kaum. Der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks zeigt sich in einer ersten Reaktion „enttäuscht über die nicht praxistauglichen Pläne“. Laut Bundesinnungsmeister Thomas Dietrich „ist die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung“ für das dezentrale Dienstleistungs-Handwerk „faktisch unmöglich umsetzbar“. Gebäudereiniger arbeiteten im externen Kundenauftrag und seien in Reinigungsobjekten überall in der Republik unterwegs. Ob Auftraggeber zum Beispiel der Anschaffung eines Transponders zur Arbeitszeiterfassung in einer Turnhalle oder einem Lager zustimme, liege in keiner Weise im Verantwortungsbereich der Betriebe.

Laut Dietrich waren „Stift und Zettel stets absolut probate Mittel“ bei der Arbeitszeiterfassung. Das müssten sie auch bleiben, fordert der Bundesinnungsmeister. Es sei „nicht Aufgabe der Politik, völlig unterschiedlichen Branchen und Unternehmen in pauschaler Form vorzuschreiben, wie die Arbeitszeit zu erfassen sind“.

Was steht nicht im Gesetzentwurf?

Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, FDP und Grüne darauf verständigt, dass sie „eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit“ schaffen wollen. Im Entwurf des Bundesarbeitsministeriums ist dazu allerdings nicht zu finden.

Das kritisiert laut einem Bericht des Tagesspiegel zum Beispiel die Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann (CDU): „Dieser Referentenentwurf ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Betrieben, Mitarbeitern und dem Standort würde damit ein Bärendienst erwiesen. Statt Flexibilisierung droht weitere Regulierung, statt Vertrauen regiert Bevormundung.“ Der Gesetzentwurf müsse überarbeitet werden, fordert Connemann.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Bundesarbeitsministerium selbst hat sich bislang nicht zu den Plänen bei der Arbeitszeiterfassung geäußert. Auf Anfrage von handwerk.com hieß es lediglich „der Gesetzentwurf“ befinde sich „derzeit in der regierungsinternen Abstimmung“.

Das bedeutet: Die Bundesregierung muss sich auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf verständigen und ihn in den Bundestag einbringen. Anschließend muss sich das Parlament mehrfach mit diesem Entwurf befassen. Im parlamentarischen Verfahren können die Abgeordneten dann Änderungsanträge stellen. In der Regel finden drei Beratungen – sogenannte Lesungen – statt. Erst dann stimmt der Bundestag über das Gesetz ab. Betrieben bleibt daher nichts anders übrig als abzuwarten.

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