4 Tage Arbeit, 3 Tage Freizeit: Betriebe, die ihrem Team das ermöglichen, profitieren vor allem von gesünderen und leistungsfähigeren Beschäftigten.
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4 Tage Arbeit, 3 Tage Freizeit: Betriebe, die ihrem Team das ermöglichen, profitieren vor allem von gesünderen und leistungsfähigeren Beschäftigten.

Inhaltsverzeichnis

Arbeitszeiten

4-Tage-Woche: Passt das Modell für alle Betriebe?

Ein neues Arbeitszeitmodell bedeutet Veränderung – die ist nicht immer beliebt. Doch diese Sammlung von Beispiel-Betrieben mit einer 4-Tage-Woche zeigt, wie sehr sich ein Umdenken lohnt.

Auf einen Blick:

  • Mehr Freizeit: In vielen Handwerksbetrieben findet die 4-Tage-Woche bereits Zuspruch – es gibt viele verschiedene Ansätze und Umsetzungsmöglichkeiten.
  • Mehr Erfahrung: In einem Buch hat der Autor Martin Gaedt 151 Beispiele aus meist kleinen Betrieben gesammelt, die durchweg von dem Arbeitszeitmodell begeistert sind. Sie profitieren unter anderem von Kostenersparnis, reduziertem Krankenstand und erhöhter Produktivität.

Die 4-Tage-Woche als neues Vollzeit-Modell? Dafür plädiert der Berliner Autor Martin Gaedt. Mit seinem Buch„4 Tage Woche“ will er Unternehmen motivieren, ihr Arbeitszeitmodell zu überdenken – und anhand der 151 Praxis-Beispiele zu prüfen, ob es zu ihnen passt. Denn neben der Attraktivität für Bewerber habe die 4-Tage-Woche große Vorteile, die erst nach einiger Zeit spürbar werden.

Die meisten Beispiel-Betriebe in dem Buch, die in der Praxis die 4-Tage-Woche umsetzen, haben maximal 50 Mitarbeitende. Die Hälfte von ihnen sind Handwerksbetriebe - aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Jeder von ihnen berichtet, was die 4-Tage-Woche zu einem praktikablen und profitablen Modell macht. Dabei kommen erstaunliche und überraschende Erkenntnisse heraus – und Anregungen zum Nachahmen.

handwerk.com: Welche Voraussetzungen brauchen Betriebe, bevor sie in eine 4-Tage-Woche starten?

Martin Gaedt: Es ist vor allem die Bereitschaft, Strukturen zu hinterfragen und gewohnte Abläufe zu verändern. In den meisten Fällen werden Prozesse vorab durchleuchtet und manchmal komplett auf den Kopf gestellt – und die 4-Tage-Woche ist dann nur noch ein „Beiwerk“ der Neuerungen.

Eine Voraussetzung ist auch, dass Chefinnen und Chefs ihre Mitarbeitenden entlasten und etwas Gutes für sie und ihre Gesundheit tun wollen. Da spielen Fragen eine Rolle wie: „Was können wir dafür tun, dass unsere Mitarbeitenden nicht ausbrennen?“ oder „Wie können wir unsere Leute halten?“ Das setzt auch Fürsorge und die persönliche Motivation der Arbeitgeber voraus. Vor allem im Handwerk habe ich das wahrgenommen: „Wir können unseren Leuten nicht mehr zahlen, aber wir können ihnen mehr Freizeit bieten.“ Das ist ein toller Ansatz, finde ich.

Und es muss jedem Unternehmer klar sein, dass es nicht das DAS EINE Modell für die 4-Tage-Woche gibt, das wie eine Schablone auf alle Betriebe passt. Im Handwerk gibt es viele kleine und individuelle Betriebe, für die ein neues Arbeitszeitmodell in ihre Abläufe passen muss. Wer das im Hinterkopf hat, kann mit einer 4-Tage-Woche starten.

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Flexibilität ist der Knackpunkt: „Fast so viele Modelle wie Betriebe“

Wie können Unternehmer vorgehen, wenn sie bereit sind auf die 4-Tage-Woche umzustellen?

Gaedt: Sie sollten sich bewusst sein, dass die Offenheit für eine 4-Tage-Woche eine strategische und eine unternehmerische Entscheidung ist. Denn: Unternehmer müssen handeln, wenn sie nicht von anderen abgehängt werden wollen. Gewohnheit zählt in diesen Zeiten nicht mehr. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Veränderungsbereitschaft und die Flexibilität der Betriebsinhaber: eingefahrene Prozesse auf den Prüfstand stellen, Umdenken, nachjustieren, Unnötiges streichen und Neues wagen.

Die meisten Beispiel-Betriebe haben das neue Modell zunächst testweise eingeführt. Es dauert mindestens 2-3 Monate bis sich Schwachstellen oder Erfolgsfaktoren herauskristallisieren. Geben Sie sich und dem neuen System Zeit, testen Sie mutig und so lange, bis es wirklich für alle Beteiligten passt. Das kann auch ein ganzes Jahr dauern – das Testen lohnt sich!

Meine Recherchen haben ergeben, dass es fast so viele Modelle wie Betriebe gibt, die mit einer 4-Tage-Woche arbeiten. Fast jeder setzt es in der Praxis ein bisschen anders um – das ist das Besondere: Es braucht den letzten Schliff, der das System passgenau macht. Manche Betriebe haben sogar festgestellt, dass die Mischung aus einer 4- und 5-Tage-Woche sinnvoller ist als nur ein Modell.

Nennt sich selbst „Provotainer“, weil er in Büchern und Vorträgen – u.a. zu den Themen Fachkräftemangel und 4-Tage-Woche zum Nachdenken anregt: Martin Gaedt aus Berlin.
Foto: Viktor Strasse
Nennt sich selbst „Provotainer“, weil er in Büchern und Vorträgen – u.a. zu den Themen Fachkräftemangel und 4-Tage-Woche zum Nachdenken anregt: Martin Gaedt aus Berlin.

Der Freitag im Handwerk: Zwischen Tradition und Unwirtschaftlichkeit

Wie geht es Betrieben damit, den „Handwerkerfreitag“ abzuschaffen?

Gaedt: Überraschenderweise ist es vielen Betrieben nicht schwer gefallen, die Arbeitszeit auf Montag bis Donnerstag zu verteilen. Denn oft ist in Handwerksbetrieben freitags schon um 13 Uhr Feierabend – ein halber Tag, der sich wirtschaftlich bei vielen ohnehin nicht gerechnet hat.

Positiv sehen alle die Kostenersparnis: Die Fahrzeuge bleiben auf dem Hof, Baustellen werden nicht angefahren, die Fahrtzeit entfällt. Einige Betriebe haben an vier Tagen je eine Stunde drangehängt und den Freitag ganz geschlossen. In anderen Betrieben ist freitags nur das Büro besetzt. Manche Teams wechseln sich ab und arbeiten entweder montags bis donnerstags oder dienstags bis freitags – um für die Kunden an allen Wochentagen erreichbar zu sein.

Und manche nutzen den „Handwerkerfreitag“ zu ihrem Vorteil und lassen bewusst bis 17 Uhr geöffnet: Das hat sich in einigen Beispielen als Kundenmagnet erwiesen – da die Mehrzahl Freitagnachmittag geschlossen hat. Wie gesagt, es ist alles möglich – wirtschaftlicher ist es in allen Fällen, die Baustellen an einem Tag ruhen zu lassen.

4-Tage-Woche: Das gilt rechtlich!

Sie wollen eine 4-Tage-Woche im Betrieb ausprobieren und möchten wissen, was Sie rechtlich beachten sollten? Hier gibt es die wichtigsten Antworten.
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Kosten sparen, Produktivität erhöhen, Krankenstand senken

Gibt es neben der Mitarbeitersuche andere Gründe für die Einführung der 4-Tage-Woche?

Gaedt: Tatsächlich ist für fast alle Betriebe die Attraktivität der 4-Tage-Woche für potenzielle Mitarbeitende die Ursache gewesen, sich mit dem Modell auseinanderzusetzen. Ebenso geht es um Mitarbeiterbindung und darum, etwas Gutes für das bestehende Team zu tun.

Dass nach der Umstellung auf ein neues Arbeitszeitmodell und dem Wandel, den das mit sich bringt, viel Positives in Bewegung kommt, ist der Nebeneffekt. Einige Bespiele:

  • Bewerber stehen Schlange.
  • es bewerben sich wieder Auszubildende,
  • der Stamm an Mitarbeitenden verjüngt sich,
  • die Fluktuation reduziert sich die Motivation und die Stimmung im Team verbessert sich,
  • die Produktivität steigt,
  • die Zeit- und Kostenersparnis (Wartungskosten, Energiekosten, Tankkosten) ist enorm, die Kundenzielgruppe wächst oder verändert sich,
  • es werden Mengen an CO2 eingespart und das Klima geschont,
  • es kommen mehr Aufträge rein.

Was war für Sie der überraschendste Effekt der 4-Tage-Woche?

Gaedt: Ganz klar: Der sinkende Krankenstand in den meisten Betrieben. Das ist ein Effekt, der nicht sofort spürbar ist. Doch durch das Mehr an Freizeit sind Arbeitnehmer erholter, zufriedener und motivierter. Sie sind gesünder und das wirkt sich auf ihre Arbeitskraft und die Arbeitsleistung aus. Die Folge: In einem Großteil der Betriebe stiegen auch die Umsätze nach der Einführung der 4-Tage-Woche – auch mit einer geringeren Anzahl an aktiven Geschäftstagen.

Die „3-Tage-Freizeit“ ist aus meiner Sicht rundum ein Erfolgsmodell. Die Mitarbeitenden sind dankbar für die Freizeit, die sie zu ihrem Vorteil nutzen: Sie verbringen sie mit Familie und Freunden, gehen Hobbies nach, erledigen Termine oder investieren sie in ein Ehrenamt.

Ebenfalls spannend: Die Zufriedenheit im Team und den Anstieg der Produktivität nehmen Einige zum Anlass, weitere Prozesse zu verändern: Mitarbeitende bekommen Diensthandys, damit sie außerhalb der Arbeitszeit nicht gestört werden. Es wird sogar an einem Konzept gefeilt, das den Arbeitstitel „Arbeite, wann du willst“ trägt – für die Mitarbeitenden, die das testen wollen.

Die Mannschaft trägt den Veränderungsprozess mit

Wie gelingt es, in dem Veränderungsprozess die Mitarbeitenden einzubinden?

Gaedt: Das ist eine Frage der Unternehmenskultur: Will ich als Unternehmer festlegen, dass die 4-Tage-Woche kommt und will ich das Team fragen, ob es das auch möchte? In jedem Fall ist es wichtig, die Mitarbeitenden in dem Veränderungsprozess mitzunehmen. Sie brauchen Informationen, Mitspracherecht, Raum für Fragen und die Arbeitgeber sollten ihre Bedürfnisse ernst nehmen. Da geht es um Wertschätzung und Mitarbeiterbindung.

Einige Betriebe haben mit Umfragen in der Belegschaft gearbeitet und die Ergebnisse als Gesprächsgrundlage genutzt. Andere haben das neue Modell getestet und dann gemeinsam mit dem Team an der besten Lösung gefeilt. Alle haben sich Zeit für Feedback, Sorgen und Nöte genommen.

Interessant ist auch, dass sich Mitarbeitende vor allem um die Wünsche der Kunden gesorgt haben und deshalb zunächst skeptisch waren. Doch in allen Fällen waren die Sorgen umsonst: Kein Betrieb hat Kunden verloren oder Umsatz eingebüßt, weil sein Geschäft durch die 4-Tage-Woche einen Tag weniger geöffnet hatte.

Das bedeutet: Die Sorgen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden sind sehr wichtig, wenn Veränderungen anstehen. In den meisten Fällen hat die Testphase Bedenken ausgeräumt. Und auch die Kundenbedürfnisse konnten erfüllt werden – mit offener Kommunikation und dem Beweis, dass es auch anders geht.

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