Wie konkret muss der Beginn der Leistungszeit im Bauvertrag definiert sein, damit Betriebe in Verzug geraten, wenn sie das Werk nicht pünktlich fertigstellen? Mit dieser Frage musste sich kürzlich das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) auseinandersetzen.
Die Ausgangslage: Bauvertrag sieht zwei Bedingungen vor
Der Betrieb hatte den Auftrag erhalten, ein Mehrfamilienhaus zum Pauschalpreis von 1.000.000 Euro zu errichten. Laut Bauvertrag beträgt die Ausführungszeit zwölf Monate. Sie beginnt:
- entweder vier Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung oder
- spätestens 4 Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn.
Zudem hatte der Betrieb vereinbart, dass Schlechtwettertage nicht angerechnet werden sollen. Bei Baubehinderungen sowie Sonderwünschen des Kunden, sollte die Aufführungsfrist ebenfalls verlängert werden.
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Der Betrieb erledigte alle Arbeiten und der Kunde nahm das Werk ab – allerdings unter Vorbehalt verschiedener Mängel. Daraufhin erledigte der Betrieb die verbleibenden Arbeiten und stellte die Rechnungen aus. Doch die geforderten 188.000 Euro zahlte der Kunde später trotz Mahnung nicht, weil ihm durch die verspätete Fertigstellung ein Mitausfallschaden entstanden sei. Das akzeptiert der Betrieb nicht und zieht vor Gericht.
Urteil: Keine Mahnung, kein Verzug
Das OLG entscheidet zu Gunsten der ausführenden Handwerker. Den Richtern zufolge war der Betrieb nicht in Verzug geraten, da die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf es für die sogenannte Inverzugsetzung einer fälligen Leistung und einer Mahnung. Doch eine Mahnung habe der Kunde zu keinem Zeitpunkt ausgesprochen, so die Richter.
Verzug ohne Mahnung? Diese Möglichkeiten gibt es
Der Kunde argumentierte vor Gericht, dass in diesem Fall keiner Mahnung erforderlich gewesen sei. Doch diese Auffassung bestätigte das OLG aus zwei Gründen nicht.
Begründung 1: Ereignis lässt sich nicht nach Kalender bestimmen
Die Rechtslage: Gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB bedürfe es nur dann keiner Mahnung, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Erfüllt ist diese Voraussetzung laut Gericht allerdings nur, wenn ein Kalendertag für den Zeitpunkt der Leistungserbringung eindeutig festgelegt ist.
Warum das in diesem Fall nicht greift: Die notwendige Voraussetzung war nach Ansicht des Gerichts nicht erfüllt. Denn die Ausführungsfrist war laut Bauvertrag an ein Ereignis geknüpft – nämlich die Erteilung der Baugenehmigung beziehungsweise den Abruf der Leistung durch den Bauherrn. Wann diese Ereignisse eintreten, war bei Vertragsabschluss jedoch noch ungewiss. Eine kalendermäßige Bestimmung des Fertigstellungszeitpunkts habe also gerade nicht vorgelegen.
Begründung 2: Fristbeginn nicht klar genug
Gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 2 wäre keine Mahnung wegen Verzugs erforderlich, wenn die Leistungszeit von einem Ereignis abhängt, das sich nach dem Kalender berechnen lässt. Eine Formulierung wie zum Beispiel „acht Monate nach Baugenehmigung“ gilt laut Rechtsprechung als hinreichend bestimmte Ereignisfrist. Nicht ausreichend hingegen sei, wenn der vertragliche Fertigstellungstermin an einen „oder“- beziehungsweise „und/oder“-Sachverhalt geknüpft ist.
Was in diesem Fall gilt: Laut OLG waren die Regelungen zum Fristbeginn nicht klar genug. Schließlich sah der Bauvertrag neben der Formulierung „4 Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung“ auch noch die Alternative „4 Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn“ vor.
(Urteil vom 11. Oktober 2023, Az.: 2 U 196/22)
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