Auf einen Blick:
- Raus aus den gewachsenen Strukturen: Über die Jahrzehnte wurde die Tischlerei Palstring immer größer – mit den gewachsenen Strukturen schlichen sich ineffiziente Abläufe ein.
- Die Brüder Holger und Oliver Palstring reagierten und schufen gezielten neue Strukturen. Ergebnisse: höherer Durchsatz, mehr Umsatz, mehr Souveränität bei Serien-Projekten.
- Ein digitales Ampelsystem hilft den Mitarbeitern in der Produktion Engpässe zu erkennen. Wo ein Engpass auftritt, kommt Verstärkung herbeigeeilt. Das erhöht den Output in der gesamten Produktion.
Höherer Durchsatz, mehr Umsatz und große Souveränität bei Serien-Projekten. „Wir bearbeiten jetzt Aufträge, die wir vor ein paar Jahren organisatorisch gar nicht hinbekommen hätten“, erzählt Tischlermeister Oliver Palstring stolz. Die Brüder Holger und Oliver Palstring haben ihre Tischlerei in wenigen Jahren komplett umgekrempelt und umstrukturiert. Das Ergebnis habe sie selbst überrascht. „Das Potenzial war enorm“, sagt Oliver Palstring. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber wir machen mit derselben Teamstärke heute den doppelten Umsatz“. Dabei müsse er dem Team gar nicht mehr abverlangen. Im Gegenteil: Durch Verbesserungen im Sinne des Teams sei der Krankenstand auf unter sieben Tage pro Mitarbeitenden und Jahr gesunken.
Das Problem gewachsener Strukturen
Den Drang zur Veränderung spürten die Brüder 2015, nachdem sie die Leitung der Palstring GmbH & Co. KG vollständig vom Vater übernommen hatten. „Wir haben gemerkt, dass wir in den gewachsenen Strukturen nur schwer neue Ideen umsetzen konnten. In der Fertigung behinderten sich viele Abläufe einfach gegenseitig“, berichtet Tischlermeister Oliver Palstring. Kein Wunder: Als 1986 der Standort in Steinfurt neu bezogen wurde, war das Unternehmen auf dem Weg zu einer Zielstärke von 20 Mitarbeitern. Doch in der Zeit vor der Übernahme lag die Teamstärke im Bereich von 70 Mitarbeitern.
Erst stand die Idee eines Neubaus im Raum, den man auf die Bedürfnisse so eines mittelständischen Unternehmens ausrichten könnte. „Doch das hätte sicher zwei Monate Stillstand bedeutet – wie soll man das bezahlen?“, fragt Palstring. Stattdessen entschieden die Geschäftsführer, den Standort zu erhalten und zu optimieren.
Um sich die passenden Ideen zu holen, ist Oliver Palstring zu anderen Betrieben durch Deutschland gereist. „Ich war in Stuttgart, Cottbus, Berlin, Hamburg, bei großen Tischlereien, Metallbaufirmen und Industrie-Unternehmen – je größer, desto besser“, berichtet der Unternehmer.
Gezielte Unterstützung während der Fertigung
Seitdem sind Geschäftsführung und Team im Unternehmen viele Veränderungen angegangen. Zwei stechen dabei heraus.
Weg mit dem Flaschenhals: Die Tischlerei Palstring fertigt handwerklich, aber mit einer gewissen Arbeitsteilung. Arbeitsvorbereitung, Plattensäge, CNC-Maschine, Kantenanleimmaschine, Montage – jeder Mitarbeiter ist einer dieser Stationen vorrangig zugeteilt. Projekte durchlaufen die Stationen, so dass ein großes Team zum Beispiel an der Fertigung einer einzelnen Küche beteiligt ist. Knackpunkt dieser Arbeitsteilung: Gibt es Verzögerungen an einer Station, entsteht unnötiger Leerlauf für die anderen.
Lösung: „Wir bilden die Projekte digital in einer Kanban-Struktur mit einem Ampelsystem ab“, erklärt Palstring. Kommt es zur Verzögerung an einer Station, wird dem Team der nächsten Station im Prozess angezeigt, dass die Station vor ihm im roten Bereich ist. Das heißt: Sie braucht Hilfe. „Ein Team-Kollege, der für den gefragten Bereich qualifiziert ist, geht dann rüber, um zu unterstützen“, erläutert Palstring. Der Vorteil für alle: Engpässe werden schnell aufgelöst, ohne dass einzelnen Kollegen unnötig Druck und Stress gemacht wird.
„Der Vorschlag kam aus dem Team“
Umstrukturierung der Produktion: 2018 hat Palstring seine Produktionswege so gestaltet, dass Material und daraus entstehende Halbzeuge effizient durch die Produktion laufen – ohne doppelte Wege und ohne sich mit anderen Produktionen zu kreuzen. Vorher war es anders: „Es gab häufig Überschneidungen, etwa zwischen der Hauptfertigung und der Sonderfertigung“, sagt der Unternehmer. „Der Kollege, der in der Sonderanfertigung gerade einen Praxisausbau realisiert, ist nicht begeistert, wenn plötzlich 50 Hotelbetten durch seinen Bereich wandern“.
Damit die Mitarbeiter die Umstrukturierung motiviert mittrugen, hat Palstring sie ihnen nicht diktiert, sondern sie selbst entwickeln lassen. „Ich habe dafür einen Unternehmensberater beauftragt, ihm eine Zielvorgabe für die Neustrukturierung der Produktion gegeben und mich aus dem restlichen Entwicklungsprozess rausgehalten“, berichtet der Tischlermeister. Sein Team habe anhand eines Papiermodells mit allen Stationen und Maschinen einen reibungslosen Laufweg für die Produktion gefunden, bei dem kein Meter doppelt gegangen werden muss. Ein großer Vorteil des Entwicklungsprozesses: „Der Vorschlag kam direkt aus dem Team und alle konnten stolz auf ihre Ausarbeitung sein.“ Wesentlich ungünstiger für Akzeptanz und Motivation wäre es gewesen, eine Struktur von oben herab zu diktieren.
Kleine Veränderungen, große Wirkung
Allein in der Produktion hat das Unternehmen in den letzten Jahren eine ganze Reihe weiterer Optimierungen eingeführt. Wertvoll seien zum Beispiel die in ihrer Grundausstattung identisch organisierten Arbeitsplätze. „Wenn ein Kollege aus einem anderen Bereich zum Helfen kommt, findet er sich sofort zu Recht und weiß, wo welches Werkzeug liegt“, sagt Palstring.
Auch in Sachen Ergonomie und Mitarbeitergesundheit hat das Unternehmerduo einiges verbessert. Dazu gehören etwa ergonomisch angepasste Arbeitsplätze, Anti-Ermüdungsmatten und eine gemeinsame Power-Napping-Zeit in der Fertigungshalle. Und seit es Verantwortliche für Besen und Schippen gibt, müssen auch die nicht mehr gesucht werden. „Es ist faszinierend: Sobald man den Namen eines Zuständigen an den Platz für dieses Material schreibt, packt jeder Mitarbeiter es wieder dorthin zurück, wo es hingehört.“
Veränderungen angehen: 3 Tipps für Kollegen
Wie schafft man diese vielen Veränderungen? „Als Unternehmer hat man eigentlich nie die Zeit dafür, weil sich im Tagesgeschäft permanent neue Aufgaben auftürmen“, sagt Palstring. Dennoch könne es gelingen. Er hat dafür drei Tipps für Kollegen.
- Kleine Schritte machen: Es brauche keinen riesigen Masterplan für das komplette Unternehmen, mahnt Palstring. Er rät Betrieben, gezielt zu ermitteln, wo es im Unternehmen hakt und das gezielt anzugehen. „Da kann dann eines zum anderen führen, aber Schritt für Schritt“, erzählt der Unternehmer.
- Hilfe holen: „Man muss nicht jede Lösung für sich neu erfinden!“, mahnt Palstring. Der Innungsbetrieb holt je nach Vorhaben gezielt die Expertise von seiner Innung ein, der Berufsgenossenschaft, der IKK oder der Handwerkskammer. „Allein bei Tischler NRW sind so viele Leute, die fachlich top aufgestellt sind und richtig viel Praxiswissen haben.“
- Das Team fragen: „Klar, im Handwerksbetrieb ist der Chef der schlaueste“, sagt Palstring mit einem Augenzwinkern. „Die Realität ist komplexer: Das Team hat die besten Einblicke in die Details der Prozesse und darin, wo es hakt.“ Palstring ermutigt sein Team, Verbesserungsvorschläge zu machen. „Wir garantieren innerhalb von fünf Tagen eine Rückmeldung zum Vorschlag . Und wenn einer umgesetzt wird, gibt es von uns 30 Euro für die Team-Event-Kasse.“ Inzwischen kämen viele wichtige Verbesserungen direkt aus der Belegschaft.
Betriebsbesucher sind willkommen
Wer mehr über die Abläufe bei der Palstring GmbH & Co. KG erfahren möchte, sei willkommen, den Innungsbetrieb einmal in Steinfurt zu besuchen. „Ich freue mich über jeden Austausch mit Kollegen“, sagt Oliver Palstring.
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