Delegieren ist auch eine Frage der Verantwortung: „Es darf nicht von mir abhängen“, sagt Handwerksmeister Thomas Renken.
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Delegieren ist auch eine Frage der Verantwortung: „Es darf nicht von mir abhängen“, sagt Handwerksmeister Thomas Renken.

Inhaltsverzeichnis

Delegieren

„Ein motiviertes Team übernimmt gerne Verantwortung!“

Die Mitarbeitenden von Thomas Renken übernehmen immer mehr Verantwortung. Hier verrät er die 5 Schritte, mit denen er das geschafft hat.

Auf einen Blick:

  • Manche Chefs im Handwerk ärgern sich nur über ihre Mitarbeitenden und entscheiden alles selbst. Andere vertrauen ihrem Team und delegieren Verantwortung. So wie Thomas Renken.
  • Seine Mitarbeitenden ziehen mit. Weil sie motiviert sind und mitentscheiden dürfen, wie die Prozesse künftig laufen. Jeder übernimmt Verantwortung: von der Baustellenleitung bis zum Einkauf. Neue Standards und digitale Tools helfen, die neuen Aufgaben zu bewältigen und entlasten alle.
  • Für Kollegen, die alles selbst entscheiden und voll produktiv mitarbeiten wollen, hat Renken wenig Verständnis: „Da passt etwas nicht zusammen“, glaubt der Handwerker – und das liege nicht an den Mitarbeitenden.

Stellen Sie sich vor, Sie wollen delegieren – nicht nur Aufgaben, sondern auch Verantwortung. Würde Ihr gesamtes Team mitziehen? Zimmermeister Thomas Renken (43) aus Hude hat den Schritt aus der Alleinverantwortung gemacht. So hat er sein 18-köpfiges Team dabei ins Boot geholt.

Schritt 1: Eine wichtige Entscheidung

Herr Renken, warum haben Sie sich entschieden, Verantwortung abzugeben?

Thomas Renken: Ich habe lange alles selbst entschieden und habe alle Baustellen überwacht. Aber wenn ein Unternehmen wächst, kann man sich irgendwann nicht mehr um alles kümmern. Dann kommen die Sorgen: Wie soll das funktionieren, wenn ich im Urlaub bin oder falls ich krank werde? Dabei geht es ja auch um die Verantwortung für meine Mitarbeiter und ihre Familien. Mir war klar, dass das nicht alles von einer Person abhängen darf.

Wie sind Sie vorgegangen?

Renken: Anfangs dachte ich daran, jemanden zusätzlich ins Büro zu holen, der mich dort entlastet. Aber mir wurde schnell klar, dass mein Team motiviert ist. Die Mitarbeiter wollen Aufgaben übernehmen und sie können das auch. Hätte ich jemand Neues dazwischen geschaltet, hätte sie das demotiviert. Also haben wir gemeinsam überlegt, wie das geht. Das hat die Motivation weiter erhöht, weil sie mitbestimmen können und sehen, dass ich Ihnen das zutraue.

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Schritt 2: Neue Baustellenleitung und neue Standards

Über welche Aufgaben haben Sie mit Ihrem Team gesprochen?

Renken: Es ging natürlich um die Baustellen, aber auch um Verantwortung in anderen Bereichen. Wer für die Baustelle verantwortlich ist, muss sich um alles kümmern, was dazu gehört. Er muss zum Beispiel mit Kunden sprechen und sich um die Arbeitssicherheit kümmern.

Damit wächst die neue Verantwortung noch mehr …

Renken: Es hilft, dass wir nach und nach Spielregeln festlegen – Standards für bestimmte Aufgaben und Situationen, die für alle gelten. Zum Beispiel schriftliche Meldewege bei Krankheit und Urlaub statt mündlicher Absprachen. So stellen wir sicher, dass die Baustellenleiter immer einen aktuellen Stand haben und es keine Missstimmung gibt.

Wer übernimmt bei Ihnen jetzt die Verantwortung?

Renken: Einen Teil der Steuerung übernehmen die Gesellen mit der größten Erfahrung. Mit der Erfahrung wächst die Verantwortung – und sie haben mehr Mitgestaltungsfreiheiten. Die Jungen übernehmen dafür ein bisschen von der die Fleißarbeit. Die Altgesellen müssen nicht als erste aufs Dach, sondern gucken sich mit ihrer Gesamtübersicht von unten an, was als nächstes gemacht werden muss.

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Schritt 3: Für Material und Werkzeug sind alle verantwortlich

Häufig sind fehlendes Material und defektes Werkzeug auf Baustellen echte Zeitfresser. Sind die Altgesellen als Bauleiter dafür auch verantwortlich?

Renken: Alle Mitarbeiter übernehmen immer mehr Verantwortung, zum Beispiel für die Ersatzbeschaffung. Für jede Produktgruppe im Lager sind Teams aus jeweils zwei Mitarbeitern verantwortlich. Sie prüfen einmal in der Woche die Bestände und sagen Bescheid, wenn etwas nachbestellt werden muss. Im nächsten Schritt werden sie die Bestellungen dann selbst aufgeben.

Beim Werkzeug sind wir schon einen Schritt weiter: Das bestellt jeder Mitarbeiter selbst, wenn etwas fehlt oder Ersatz benötigt wird. Dafür hat jeder ein eigenes Budget und wir haben eine Grenze auf 250 Euro pro Bestellung festgelegt. Nur wenn ein Werkzeug mehr kostet, muss ein Mitarbeiter Rücksprache halten. Aber da sind wir noch im Prozess, dass wird sich noch weiter entwickeln.

Schritt 4: Neuerungen schnell ausprobieren und anpassen

Sie entwickeln Standards während der Umsetzung weiter. Würde es nicht mehr Sicherheit für die Mitarbeiter schaffen, wenn Sie Regeln einmal festlegen, statt sie immer wieder anzupassen?

Renken: Das ist wahrscheinlich zu perfektionistisch. Ich habe früher auch gedacht, ich müsste alles vorher festlegen. Das hat dann ziemlich lange gedauert, bis die Regeln standen. Und dann haben sie nie richtig funktioniert – weil man als Chef auch nicht an alles denken kann und sich ständig alles Mögliche ändert. Dann muss man die Regeln eh wieder anpassen. Deswegen ist es nach meiner Erfahrung besser, schnell loszulegen und Pläne schnell anzupassen.

Dann müssen Sie immer noch das Team von der Veränderung überzeugen …

Renken: Das ist leicht. Das funktioniert am besten im engen Austausch mit anderen. Dann muss nicht einer alleine an alles denken. Gemeinsam überlegen wir uns, wie wir einen Prozess am besten organisieren. Dann folgt für jede Neuerung eine Pionierphase. In dieser Phase probieren zwei Mitarbeiter den neuen Prozess oder Standard aus und wir passen ihn bei Bedarf an, bis es funktioniert. Diese Aufgabe übernehmen zwei Mitarbeiter, die bei der konkreten Aufgabe Probleme sehen. Wenn eine Lösung diese beiden überzeugt, dann funktioniert sie meistens für das ganze Team.

Schritt 5: Digitalisierung und Planung sorgen für Entlastung

Das klingt nach vielen neuen Dingen, an die Ihr Team denken muss. Und an viel zusätzlichen Papierkram.

Renken: Wir haben im Zuge der Veränderungen neue digitale Tools eingeführt, die uns die Arbeit erleichtern. Für die Baustellen-Dokumentation nutzen wir seit einiger Zeit Craftnote und für die internen Abläufe Notion Workspace.

Da müssen wir natürlich auch täglich eine Menge an Informationen eingeben. Daher hat es einige Zeit gedauert, bis sich alle darauf eingelassen haben. Was dabei geholfen hat: Allen ist klar geworden, dass so eine digitale Baustellen-Dokumentation wirklich hilfreich ist. Zum Beispiel, wenn es Rückfragen gibt und man damit nachweisen kann, dass den Fehler ein anderes Gewerk verursacht hat. Und wie schön es ist, dass alles Infos vorliegen, wenn jemand auf einer Baustelle eine Krankheitsvertretung übernehmen muss.

Belasten die neue Verantwortung und die damit verbundenen Aufgaben ihre Mitarbeiter nicht?

Renken: Natürlich müssen die Mitarbeiter an mehr denken und Standards einhalten. Und natürlich gab es Diskussionen, ob sie das nicht Zeit kostet, die sie von ihrer eigentlichen Arbeit abhält. Das gehört dazu, wenn man Verantwortung übernehmen will. Und gleichzeitig sind das alles Planungsaufgaben, die später an anderer Stelle mehr Zeit einsparen.

Das Ergebnis: Stressabbau für alle

Wohin werden Sie diese Veränderungen führen – abgesehen davon, dass sie sorglos Urlaub nehmen können?

Renken: Meine wichtigsten Aufgaben sind dann die Angebotserstellung und Planung, Arbeitsvorbereitung und große Bestellungen für Baustellen und die Abrechnung. Mein Ziel ist es, dass ich ab der Übergabe eines Auftrags an mein Team im Normalfall nicht mehr gefragt bin. Falls ich dann mal ausfalle läuft alles weiter.

Und natürlich habe ich mehr Zeit für mein Team. Wenn man zu viele Aufgaben hat und zu viel Verantwortung alleine trägt, bleibt zu wenig Zeit für die Mitarbeiter. Das wirkt demotivierend.

Tragen die Veränderungen schon Früchte?

Renken: Das dauert natürlich einige Zeit. Doch jetzt entsteht langsam mehr Freiraum im Team und bei mir. Wir sind alle weniger gestresst, werden lockerer im Umgang miteinander und haben mehr Zeit für Gespräche, auch über Privates. Das merkt man. Und natürlich ist es viel einfacher, Wertschätzung zu geben, wenn man nicht alle möglichen Probleme hat und sich die ganze Zeit nur ärgert.

„Da passt etwas nicht zusammen“

Verstehen Sie Kollegen im Handwerk, die keine Verantwortung abgeben und voll produktiv mitarbeiten?

Renken: Nein, die verstehe ich nicht. Da passt etwas nicht zusammen, denn die eigene Produktivität als Chef ist eigentlich kein Thema unter Kollegen. Ich war zum Beispiel vor ein paar Jahren auf einem Seminar mit vielen anderen Betriebsinhabern. Da hat mich niemand gefragt, wie viel ich produktiv zum Ergebnis beitrage. Die ersten Fragen waren immer „Wie viel Leute hast Du?“ und „Was für einen Fuhrpark habt Ihr?“. Daran wird man immer noch gemessen.

Aber während dieses Seminars ist noch ein anderer Satz sehr oft gefallen: „Ich habe nur noch vier Leute. Mehr will ich nicht. Das Personal kannst Du vergessen.“

Dieser Satz erklärt vielleicht beides zugleich: warum jemand keine Verantwortung abgibt und voll produktiv mitarbeitet.

Aber ich sehe das nicht so. Die Mitarbeiter sind gut motiviert. Man muss ihnen nur den Spielraum und die Verantwortung geben, statt alles selbst zu machen und zu kontrollieren. Ein motiviertes Team übernimmt gerne Verantwortung.

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