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Asphaltstraßenbau hinterm Fertiger

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Recht

Verzögerter Zuschlag: Keine Entschädigung für Vorhaltekosten

Das Vergabeverfahren zieht sich mit Zustimmung eines Bieters viel länger hin als geplant. Doch der Streit um die Vorhaltekosten für das benötigte Arbeitsmaterial landet schließlich vor Gericht.

Auf einen Blick:

  • Trotz erheblicher Verzögerungen im Vergabeverfahren nimmt ein Unternehmer den Auftrag an. Allerdings stellt er dem öffentlichen Auftraggeber die Vorhaltekosten für das Arbeitsmaterial in Rechnung.
  • Der zahlt die zusätzlich geforderte Summe von 650.000 Euro nicht und der Fall landet vor Gericht.
  • Urteil des Bundesgerichtshofs: Das Unternehmen hat trotz des verzögerten Vergabeverfahrens keinen Anspruch auf die zusätzlichen kalkulierten Vorhaltekosten.
  • Vor Zuschlagserteilung müssen potenzielle Auftragnehmer bei den Vorhaltekosten ins Risiko gehen, so die Karlsruher Richter. Denn es handelt sich dabei um Kosten der Vertragsakquise. Doch zwei Aspekte können das Risiko minimieren.

Der Fall: Wegen des Ausbaus einer Autobahn schreibt eine öffentliche Stelle im Jahr 2004 Leistungen aus. Für die Verkehrsführung und Verkehrssicherung legt ein Unternehmen ein Angebot zu einem Gesamtpreis von rund einer Million Euro vor. In der Offerte enthalten ist eine Stahlgleitwand von 14,8 Kilometern für 588 Tage.

Zuschlagsfrist mehrfach verschoben

Laut Ausschreibung soll die Ausführung der Leistungen im Zeitraum von September 2004 bis April 2006 erfolgen. Die besonderen Vertragsbedingungen sehen zudem vor, dass der Auftragnehmer zwölf Tage nach Zuschlagserteilung mit der Umsetzung beginnen muss.

Während des Vergabeverfahrens verschiebt die öffentliche Stelle die Binde- und Zuschlagsfrist mehrfach. Damit ist das Unternehmen einverstanden. Ende März 2006 erhält der Betrieb schließlich den Zuschlag. Die Stahlgleitwand ist zu diesem Zeitpunkt auf anderen Baustellen im Einsatz. Daher muss das Unternehmen eine Stahlgleitwand anmieten. Die Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand stellt es dem Auftraggeber wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist in Rechnung. Doch der weigert sich, die geforderte Summe von rund 650.000 Euro zu begleichen.

Vor Vertragsabschluss liegt Risiko beim Unternehmer

Das Urteil: Trotz der verzögerten Zuschlagserteilung hat das Unternehmen keinen Anspruch auf die kalkulierten Vorhaltekosten, entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Damit kamen die Karlsruher Richter zu einem anderen Schluss als die Vorinstanz. Zuvor hatte das Oberlandesgericht Rostock einen Entschädigungsanspruch aus Paragraf 642 BGB abgeleitet. Der regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Unternehmens, wenn ein Auftraggeber die Mitwirkung unterlässt, die bei der Herstellung der vereinbarten Leistung erforderlich ist. Doch das ist im Streitfall nicht möglich, so der BGH. Denn in dem Zeitraum, für den das Unternehmen die Vorhaltekosten einfordert, bestand noch gar kein Werkvertrag.

Die Vorhaltekosten, die vor der Zuschlagserteilung für ein Unternehmen anfallen, sind nach Einschätzung der Karlsruher Richter Kosten der Vertragsakquise Und die sind grundsätzlich vom Bieter zu tragen. Vor Vertragsabschluss handelt der Bieter somit auf eigenes Risiko. Doch vor dem wird er auch geschützt: Denn das Angebot eines Bieters ist befristet und die Verlängerung der Bindefrist bedarf seiner Zustimmung. Ist er mit einer Fristverlängerung einverstanden, hält der Bieter somit am angebotenen Preis fest – bei unveränderter Leistung und unveränderten Leistungszeiten.

BGH, Urteil vom 26. April 2018, Az. VII ZR 81/17

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