Auf einen Blick:
- Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut. Als Arbeitgeber dürfen Sie niemanden abmahnen oder entlassen, weil Ihnen die politische Meinung nicht passt.
- Äußert sich ein Mitarbeiter rassistisch, antisemitisch oder beleidigend, sind Grenzen erreicht. Als Arbeitgeber sollten Sie handeln, um Ihre anderen Mitarbeiter und Ihren Betrieb zu schützen.
- Ob Sie abmahnen oder kündigen, hängt vom Einzelfall ab. Bei extremen Vorfällen kann sogar eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.
Es wird diskutiert im Betrieb: über die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, über Rechtsextremismus und antisemitische Übergriffe in Deutschland. Dabei können Äußerungen fallen, die nicht mehr vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind. Was sollte oder muss ein Arbeitgeber dann unternehmen?
„Die Meinungsäußerungsfreiheit ist ein Grundrecht und ein hohes, grundgesetzlich geschütztes Gut“, sagt Rechtsanwalt Tobias Grambow. „In Deutschland ist jeder berechtigt, seine politische Meinung frei zu äußern.“ Das gelte im Privaten wie grundsätzlich auch am Arbeitsplatz, „selbst wenn dem Arbeitgeber eine bestimmte Überzeugung nicht schmeckt“, betont der Fachanwalt für Arbeitsrecht. Das bedeutet: Eine politische Äußerung ist grundsätzlich kein Kündigungsgrund.
Die Grenzen der Meinungsfreiheit
Doch es gibt Ausnahmen, erklärt der Rechtsanwalt. Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen: Volksverhetzung, wie zum Beispiel die Leugnung des Holocaust, ist eine Straftat. Auch Beleidigungen können einen Straftatbestand erfüllen. „Ein Arbeitgeber muss eine strafbare Aussage nicht anzeigen“, so Grambow. „Er kann aber in einem solchen Fall oder bei anderen extremistischen Äußerungen arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen, also den Betreffenden abmahnen oder sogar kündigen.“
Allerdings: „Eine Kündigung ist immer das letzte Mittel. In der Regel sollte also der Arbeitgeber zuerst das Gespräch suchen oder zur Abmahnung greifen, um klarzumachen, dass extreme politische Äußerungen oder Provokationen am Arbeitsplatz nicht geduldet werden“, sagt der Anwalt.
Bleibt der Erfolg aus, sollte der Chef abwägen: Reicht eine weitere Abmahnung, um den Betreffenden zu warnen? Ist eine Kündigung, vielleicht sogar eine fristlose, gerechtfertigt? Welche Kündigungsschutzregeln müssen beachtet werden?
Extremisten im Kleinbetrieb ohne Kündigungsschutz
In Kleinbetrieben, die regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigen, findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Das bedeutet: Der Arbeitgeber kann ohne Angabe von Gründen fristgerecht kündigen. „Die Kündigung darf aber nicht willkürlich sein, sonst ist sie auch im Kleinbetrieb unwirksam“, sagt Grambow.
Der Arbeitgeber darf sich also nicht auf offensichtlich völlig sachfremde Erwägungen stützen. Ein solcher Extremfall könnte sein, dass der Arbeitgeber an eine „jüdische Weltverschwörung“ glaubt und deswegen einen Mitarbeiter jüdischen Glaubens kündigt, nennt der Anwalt ein Beispiel. „Das könnte aber auch bereits einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz darstellen.“ Zudem gelten auch im Kleinbetrieb besondere Kündigungsschutzregeln zum Beispiel für Schwangere oder Schwerbehinderte. Auch darf eine Kündigung nicht als Strafe für einen Mitarbeitenden erfolgen, wenn dieser ihm zustehende Rechte einfordert.
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Kündigungsschutz gilt: Kündigungsgrund erforderlich
Schwieriger ist die Situation, wenn in Ihrem Betrieb das Kündigungsschutzgesetz gilt. Wollen Sie einen Mitarbeitenden aufgrund seines Verhaltens entlassen, sollten Sie ihn zuvor abmahnen. „Eine Abmahnung ist grundsätzlich auch bei politischer Hetze arbeitsrechtlich notwendig, wenn zu erwarten ist, dass sie eine Verhaltensänderung bewirkt“, sagt Grambow. Nur bei renitenten Extremisten sei eine unmittelbare Kündigung möglich.
Gründe für eine Kündigung oder Abmahnung könnten laut Grambow zum Beispiel sein:
- Störung des Betriebsfriedens: Die politische Hetze geht so weit, dass es zu massiven Auseinandersetzungen kommt und Arbeitsabläufe gestört werden.
- Geschäftsschädigung: Ein Mitarbeitender äußert rechtsextreme Ansichten so, dass sie mit Ihrem Betrieb in Zusammenhang gebracht werden. Das gilt sogar für Aussagen im privaten Bereich: Ein rassistischer Facebook-Post in Arbeitskleidung mit erkennbarem Betriebslogo kann reichen.
- Kunden oder Kollegen fordern die Kündigung: Das Team droht glaubhaft an, alle anderen würden den Betrieb verlassen, sollte der extreme Kollege bleiben. Oder die wichtigsten Kunden kündigen an, Aufträge zu stornieren. Dann kann der Arbeitgeber eine sogenannte Druckkündigung aussprechen.
Fristlose Kündigungen brauchen schwerwiegende Gründe
Kommt es zu extremen Vorfällen im Betrieb, kann der Arbeitgeber sogar außerordentlich, also fristlos kündigen. „Dafür muss es einen massiven Vorfall gegeben haben, der es dem Arbeitgeber unmöglich macht, bis zum Ende der Kündigungsfrist mit dem Betreffenden zusammenzuarbeiten“, erklärt Grambow. Ein tätlicher Angriff, Bedrohung, Sachbeschädigung oder Nazisprüche und KZ-Vergleiche könnten zum Beispiel eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
„Es kommt aber, wie immer im Arbeitsrecht, auf den Einzelfall an“, betont der Anwalt. Alle belastenden und entlastenden Umstände würden im Streitfall vor Gericht abgewogen. „Das bedeutet nicht, extremistische Äußerungen zu ignorieren“, sagt Grambow. Arbeitgeber sollten sich aber nicht zu Schnellschüssen hinreißen lassen, sondern besonnen vorgehen und im Zweifel juristischen Rat einholen.
Da die Arbeitsagentur bei einer fristlosen Kündigung eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld verhängt, würde der Betroffene in den meisten Fällen vor das Arbeitsgericht ziehen, so Grambow. Damit kommen Kosten auf den Betrieb zu, warnt er. „Die eigene Rechtsvertretung muss jede Partei in der ersten Instanz selbst finanzieren, auch die siegreiche.“ Deswegen sei bei einer kurzen Kündigungsfrist in solchen Fällen eine ordentliche Kündigung – verbunden mit einer Freistellung unter Urlaubsabgeltung und einem Hausverbot – oftmals der pragmatischere Weg.
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