Regeln vereinfachen und der Wirtschaft mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben schaffen – mit diesem Versprechen ist die Ampel 2021 angetreten. Das Ziel: ein neues Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV). Nach fast zwei Jahren Regierungszeit nimmt das nun erste Formen an: SPD, Grüne und FPD haben sich auf ein Eckpunktepapier zum Bürokratieabbau verständigt. Das sieht insgesamt 28 Maßnahmen vor – einige würden auch Handwerksbetrieben zu Gute kommen.
Hier 5 Beispiele worauf Betriebe in Sachen Bürokratieabbau hoffen können.
Beispiel 1: Verkürzung von Aufbewahrungsfristen
10 Jahre – so lange müssen Betriebe Buchungsbelege aktuell aufbewahren. Die Bundesregierung plant die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen nun auf 8 Jahre zu verkürzen.
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Beispiel 2: Diverse Informationspflichten kommen auf den Prüfstand
Die Bundesregierung will zudem prüfen, wie sie Betriebe bei den aktuell bestehenden Informationspflichten entlasten kann. Auf den Prüfstand kommen laut Bundesjustizministerium insbesondere folgende Bereiche:
- Gewerbe- und Handwerksordnung
- branchen- und berufsspezifischen Verordnungen
- Wirtschaftsstatistik
- Mess- und Eichwesen
- Energierecht
- Außenwirtschaftsrecht
Beispiel 3: Textform soll in vielen Bereichen möglich werden
Schriftlich ist nicht gleich schriftlich: In vielen Rechtsbereichen gilt bislang die Schriftformerfordernis. Für Betriebe bedeutet das, dass E-Mail und Fax bislang in bestimmten Fällen nicht ausreichen. Stattdessen sind Papier und Unterschrift oft Pflicht.
Das will die Bundesregierung nun ändern: Die elektronische Form soll im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die Regelform werden. Der§ 126ff BGB soll daher entsprechend angepasst werden.
Beispiel 4: Anpassungen beim Arbeitszeit- und Jugendarbeitsschutzgesetz
Aktuell haben Arbeitgeber diverse Aushangpflichten zu erfüllen. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen Betriebe ihren Mitarbeitenden diese Informationen künftig auch elektronisch zur Verfügung stellen können – und zwar über die im Betrieb „übliche Informations- und Kommunikationstechnik“ wie zum Beispiel das Intranet.
Beispiel 5: Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung
Betriebe müssen bislang Allergeninformationen schriftlich vorhalten, wenn sie lose Ware verkaufen. Hier will die Bundesregierung künftig ebenfalls die digitale Form ermöglichen. Das soll dann auch für die verpflichtenden Informationen über Lebensmittelzusatzstoffe und Aromen gelten, die ebenfalls in loser Ware enthalten sein können.
ZDH: Potenzial nicht ausgeschöpft
Aus dem Handwerk gibt es eine erste Reaktion auf die Pläne der Bundesregierung: Das ist „ein gutes, längst notwendiges Signal“, sagt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Allerdings kritisiert er, dass das beschlossene Eckpunktepapier „deutlich hinter den Möglichkeiten“ zurückbleibe. An die Bundesregierung hat er klare Erwartungen: „Alle Ressorts sind aufgefordert, hier nachzulegen.“
Nach Einschätzung von Schwannecke „kann und darf“ das Eckpunktepapier ohnehin nur ein erster Schritt sein, denn die Belastungsgrenze sei für viele Betriebe seit langem überschritten. „Die überbordende Bürokratie“ wirke in „ohnehin wirtschaftlich schwierigen Zeiten als weitere Wachstums- und Investitionsbremse“. Er fordert deshalb: „Es braucht dringend spürbare Entlastungen, die in der Praxis der Betriebe auch tatsächlich ankommen.“
Bürokratieentlastung: Wann kommt sie und was könnte es der Wirtschaft bringen?
Zeit nachzubessern hat die Bundesregierung noch: Denn die 28 Maßnahmen zum Bürokratieabbau sind noch nicht final beschlossen. Wann Betriebe mit dem Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) rechnen können, ist allerdings unklar.
Das Bundesjustizministerium teilt lediglich mit, dass es in diesem Jahr noch einen Referentenwurf geben soll. Das wäre der erste Schritt im Gesetzgebungsprozess, viele weitere müssten folgen. Inkrafttreten können die Erleichterungen nur, wenn Bundestag und Bundesrat grünes Licht geben.
Bundesjustizminister Marco Buschmann äußert sich aber schon jetzt dazu, was der geplanten Bürokratieabbau für die Wirtschaft bringen könnte: Eine Entlastung in Höhe von 2,3 Milliarden Euro – allerdings nur zusammen mit dem ebenfalls geplanten Wachstumschancengesetz. Der Minister verspricht zudem: „Wir werden so den Bürokratiekostenindex auf den niedrigsten Stand seit Beginn seiner Erhebung drücken.“
Der Bürokratiekostenindex wird seit 2012 vom Statistischen Bundesamt (Destatis) erstellt. Er macht sichtbar, wie stark Betriebe durch Bürokratie belastet werden und wie sich diese Belastung im Zeitverlauf entwickelt. Trotz des dritten Bürokratieentlastungsgesetzes, das in weiten Teilen Anfang 2020 in Kraft getreten ist, hat die Bürokratiebelastung zuletzt wieder deutlich zugenommen.
Das vollständige Eckpunktepapier finden Sie hier auf der Seite des Bundesjustizministeriums.
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