Auf einen Blick:
- Der Weggang von drei Fachkräften innerhalb kurzer Zeit hat Handwerksmeister Heiner Götting belastet.
- Der Unternehmer hat die Initiative ergriffen und sein Team befragt, was ihnen fehlt und was sie am Betrieb mögen.
- Aus den Rückmeldungen hat er einen neuen Bewerbungsprozess entwickelt und Neuerungen für die bestehende Mannschaft umgesetzt.
- Das Ergebnis: Zufriedenere Mitarbeitende, viele neue Bewerber und Neueinstellungen innerhalb kurzer Zeit.
Als bei Heiner Götting drei Kündigungen innerhalb weniger Monate auf dem Tisch landeten, wurde er unruhig. „Das war ein Warnschuss: Bei der Auftragslage konnte ich es mir nicht leisten, dass noch mehr Leute gehen“, sagt der Chef von Fliesen Götting aus Bösel bei Oldenburg.
Umdenken setzt Veränderungsprozess in Gang
Götting musste aktiv werden. Für seine verbliebenen 20 Mitarbeitenden hat er einen Fragebogen erarbeitet und abgefragt, was ihnen im Betrieb gefällt und was sie stört. Aus den Antworten hat er im Anschluss Veränderungen abgeleitet. Das Arbeiten in dem Handwerksbetrieb sollte attraktiver werden – für das Team und für neue Bewerber.
„Der Fokus lag zum einen auf Mitarbeiterbindung“, sagt Götting. Der neu entwickelte Maßnahmenkatalog hatte vor allem ein Ziel: Mitarbeiterzufriedenheit. Schnell reagiert hat der Unternehmer beispielsweise auf diese Anregungen aus dem Team:
- Kritik an der Baustellenorganisation: Eine neue App bringt nun Struktur und Übersicht für alle Beteiligten einer Baustelle. Projekte können von mehreren Nutzern gleichzeitig bearbeitet werden.
- Fehlendes oder schlecht erhaltenes Werkzeug: Jedes Team hat jetzt ein eigenes Firmenauto mit eigenem Werkzeug. Größere Maschinen und Ersatzwerkzeug stehen im Betrieb ausreichend zur Verfügung.
- Die Stimmung im Team: Um sie zu verbessern hat Götting wöchentliche Baustellenbesprechungen eingeführt. Zudem finden jetzt quartalsweise Vier-Augen-Gespräche mit jedem Mitarbeitenden statt. „Das ist nicht immer angenehm, hat aber viel bewegt“, sagt der 41-Jährige.
- Wünsche und Sorgen anonym äußern können die Mitarbeitenden im neuen „Kummerkasten“.
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Neue Bewerberansprache: Konzentration auf das Wesentliche
Zum anderen hat Götting anhand der Rückmeldungen aus dem Team die Bewerberansprache verändert. „Wir haben erarbeitet, was es braucht, um gerne in einem Betrieb zu arbeiten“, sagt Götting. Dass sein Unternehmen genau das bietet, bringt der Handwerksmeister in sozialen Netzwerken rüber und stellt sich dafür selbst vor die Kamera.
„Ich habe mich und den Betrieb vorgestellt“, berichtet Götting. Authentisch sollte es sein und ehrlich. Natürlich habe auch er die Vorteile genannt, die potenzielle Bewerber in seinem Betrieb erwarten.
Allerdings drehte er den Spieß um und zählte Punkte auf, die Mitarbeitende bei ihm garantiert nicht erwarten. Zum Beispiel schlechte Organisation der Baustellen, ein schreckliches Betriebsklima, schlechtes Werkzeug. „Ich kannte bis dato niemanden, der seine Bewerber auf diese Art angesprochen hat“, sagt Götting. Die Herangehensweise habe die Neuen im Team begeistert.
Neuer Bewerbungsprozess: Passende Bewerber digital filtern
Die inhaltlichen Voraussetzungen hat der Handwerksmeister um technischen Neuerungen ergänzt. Der Bewerbungsprozess ist bei Fliesen Götting in ein Stufensystem unterteilt.
- Im ersten Schritt gibt der Bewerber den Namen und eine Kontaktmöglichkeit in ein Online-Formular ein. Wenige gezielte Fragen zu organisatorischen Themen wie Eintrittsdatum, Gehaltsvorstellung, Wohnort und Fähigkeiten werden im Erstkontakt von einem externen Dienstleister abgefragt. Passen die Antworten zu den Vorstellungen des Firmenchefs, telefoniert er mit den Bewerbern und geht weitere Fragen durch, um auszuloten, wen er zu einem persönlichen Gespräch einlädt.
- Im zweiten Schritt findet ein Vorstellungsgespräch im Betrieb statt. „Dafür haben wir eine Liste mit Fragen erarbeitet und passen sie – je nach Stellenangebot – immer wieder an“, sagt Götting. An dem Gespräch nimmt auch ein Mitarbeiter teil. Der Blickwinkel eines Teammitglieds sei wichtig, um langfristig neue Mitarbeitende zu finden.
- Im dritten Schritt findet ein Probearbeiten statt. „Man merkt erst nach zwei bis drei Tagen, wie eine Person tickt, was sie kann und vor allem, ob sie ins Team passt“, berichtet Götting.
„Zufriedenheit im Team steckt an“
In sein Team passten alle neuen 20 Mitarbeitenden, die der Unternehmer zwischen Januar 2022 und Februar 2023 eingestellt hat. 13 von ihnen sind Fliesenleger, 2 Azubis lernen den Beruf, 2 Bauhelfer unterstützen die Fliesenleger auf den Baustellen und eine Auszubildende wird Kauffrau für Büromanagement. Zudem beschäftigt Götting jetzt eine Marketingleiterin, die die Bereiche Marketing und Werbung abdeckt. Eine weitere Mitarbeiterin kümmert sich um die Social-Media-Aktivitäten des Handwerksbetriebs.
„Alle Stellen sind richtig gut besetzt, es hat sich eine tolle Dynamik entwickelt, sagt Heiner Götting. Was ihn auch freut: Die Zufriedenheit im Team sei gestiegen und das stecke die neuen Mitarbeiter direkt an.
„Wir sind Lichtjahre weiter als noch vor eineinhalb Jahren“, resümiert der Fliesenlegermeister. Es sei manchmal so einfach, Mitarbeitende glücklich zu machen, „wenn man offen ist, hinterfragt, sich Sorgen anhört und ernst nimmt“.
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